September 2019: Neubesetzung als gelungener Aufbruch – Struktur der ersten 100 Tage

Die berühmten ersten 100 Tage in einer neuen Position sind prägend. Erwartungen, Unsicherheiten, Hoffnungen, Dynamik, Konzepte, Ziele, Pläne etc., und das aus der Sicht des Übernehmenden einerseits und der verschiedenen Stakeholder anderseits.

Fakt ist, die Erwartungshaltungen an und durch einen neuen Stelleninhaber gerade in der ersten Zeit sind besonders hoch. Das Bild, das sich in dieser ersten Periode aus den verschiedenen Blickwinkeln betrachtet formt, hat einen erheblichen Einfluss auf den zukünftigen Erfolg und auf die Umsetzungsfähigkeit der angestrebten Ziele.

Die wiederkehrende Frage, die sich Unternehmen stellen, die eine Führungsposition neu besetzen und ebenso die betreffende Führungskraft lautet: „Gibt es eine „Blaupause“ mit der man diese 100 Tage zuverlässig strukturieren kann?“

Nein, es gibt sie nicht – Ja, es gibt sie …. Es gibt wiederkehrende Strukturen, die man dieser Periode geben kann und sollte. Strukturen die sicherstellen, dass wesentliche Aspekte und Bedürfnisse der verschiedenen Stakeholder berücksichtigt und befriedigt werden.

Diese Strukturen lassen sich aufteilen in Phasen und Schwerpunkte.

Eine wesentliche Phase, wenn nicht die entscheidendste überhaupt, auch wenn sie rechnerisch gar nicht in die 100 Tage einzahlt, ist die Vorbereitung. Hier sind sowohl diejenigen die die Stelle besetzen in der Verantwortung (Aufsichtsrat, Geschäftsführung, Bereichsleitung, HR etc.),  als auch die Führungskraft selber.

Ziele, Ressourcen, Zuständigkeiten, Zeithorizonte, Budgets und Schnittstellen müssen sauber und eingehend besprochen und weitgehend festgelegt werden. Jede Nachlässigkeit in dieser Vorbereitungsphase verlangsamt die gewünschte Dynamik eines Neuanfangs erheblich. Gleichzeitig muss der zukünftige Stelleninhaber diese Punkte in sein eigenes, persönliches  Zielkoordinatensystem einbauen. Was sind die Erwartungen, wo sind die Schwerpunkte und wie verträgt sich das mit meinen Stärken und Schwächen.

Die aktiven Phasen der 100-Tage lassen sich regelmäßig unterteilen in

  1. Zuhörphase: Stakeholder kennenlernen
  2. Abgleichphase: Ist-Analyse/Baseline festlegen
  3. Architekturphase: Entwicklungsfelder definieren
  4. Aktionsphase: Roadmap aufstellen und abstimmen

Stakeholder kennenlernen und Ist-Analyse/Baseline festlegen bedeutet vor allem eines: Zuhören, Zuhören und nochmal Zuhören. Aktiv nachfragen auf allen Ebenen und Schnittstellen und dabei gar nicht oder nur wenig wertend kommentieren.

Bei der Definition der Entwicklungsfelder, die meistens schon parallel verschoben zur ersten Phase beginnt, bestimmt der Abgleich der vereinbarten Ziele (und/oder Erwartungshaltungen) aus der Vorbereitungsphase mit den Ergebnissen aus der Zuhörphase das Geschehen.  Diese analytisch geprägte Abgleichphase geht nahtlos über in die Architekturphase, in der die Analytik in strategische und operative Maßnahmen gegossen wird, die konkrete Ziel- und Zeithorizonte beinhalten. KPIs werden definiert, neue Prozesse aufgezeichnet, organisatorische Strukturen entworfen, Risiken abgesteckt, Controlling aufgebaut. Eine Roadmap entsteht.  Der Stelleninhaber ist hier besonders in seinen Fähigkeiten hinsichtlich einer „gewinnenden“ Kommunikation gefragt. Abstimmungsgespräche und eine Begeisterungsfähigkeit für neue Ansätze und Ideen erfolgen genau jetzt. Es ist der Zeitpunkt in der die neue Führungskraft erste sichtbare Akzente setzen muss: Er oder sie beurteilt Vergangenheit und Zukunft seines/ihres Verantwortungsbereiches und wird gleichzeitig das erste Mal durch die Stakeholder und das eigene Team beurteilt. Eine sensible Phase, die jedoch mit guter Vorbereitung und professioneller Unterstützung ganz entscheidend zum gewünschten Erfolg beiträgt.

Wenn diese Architekturphase professionell durchlaufen und Erwartungshaltungen positiv bedient werden, erfolgt die erste „operative“ Feuertaufe in der Aktionsphase. Ausgesuchte Maßnahmen werden implementiert. Dabei achtet der erfahrene Manager darauf, dass er bzw. sie eine gesunde Mixtur aus kurz – mittel- und langfristigen Maßnahmen startet. Insbesondere bei den kurzfristigen Maßnahmen ist auf möglichst nachweisbare „quick-wins“ abzuzielen. Wobei solche Erfolge nicht ausschließlich auf unmittelbar ergebnisrelevante Beiträge reduziert werden müssen, sondern sich durchaus auch auf messbare Effizienzsteigerungen z.B. durch Prozess- und/oder Organisationsanpassungen erstrecken können.

Festzuhalten bleibt:  der „Zauber“ der „jedem Anfang innewohnt“ kann dann erfolgreich in eine zielführende Dynamik umgesetzt werden, wenn die ersten 100 Tage strukturiert angegangen und begleitet werden. Eine abwartende Haltung, nach dem Motto: „mal sehen was uns der oder die Neue bringt“, lässt in vielen Fällen selbst erfolgsversprechende Kandidaten in der Frühphase unnötig straucheln und verleitet die Bestandsorganisation dazu, schnell wieder in den alten Trott zu verfallen.

 

Autor: Gregor van Ackeren