Juli 2019: Nachhaltigkeit in der Supply Chain – ist Öko sexy?
Nachhaltigkeit in der Supply Chain als Neuerung oder aktuelles Thema zu bezeichnen wäre bei der Vielzahl an Veröffentlichungen und jahrelangen Diskussionen irgendwie fehl platziert. Und doch haben Supply und Value Chain Verantwortliche Nachhaltigkeit oft als Anforderung oder sogar Herausforderung begriffen und nicht als Chance eines Gesamtunternehmens sich strategisch neu auszurichten.
Der klassische strategische Zielkonflikt dargestellt als magisches Dreieck aus Kosten, Qualität und Zeit könnte eine Neuausrichtung erfahren. In diesem Konstrukt kann niemals ein gleichzeitiges Maximum der drei Ausprägungen erreicht werden. Wer seine Kosten reduzieren will, muss dies zu Lasten der Qualität oder Geschwindigkeit machen. Jedoch kann eine auf die Unternehmensstrategie passende Gewichtung der drei Ecken erfolgen und Prozesse und Organisation darauf eingestellt werden. Was könnten mögliche Nachhaltigkeitsmechanismen sein, die eine Neubewertung nötig machen?
Erster Auslöser mag das veränderten Qualitätsbewusstsein des Kunden bedingt durch die Nachhaltigkeit sein. Soziale und ökologische Verantwortung, Global Carbon Footprint aber auch Herstellverfahren und Zertifikate (z.B. Bio, Trade Fair, Social/ Recycled Plastics) werden vom Kunden als Mehrwert wahrgenommen und seine Bereitschaft hierfür Zusatzkosten zu tragen steigt.
Als weiterer externer Einfluss könnte in naher Zukunft auch das Thema CO² Besteuerung oder Emissionshandel das Gleichgewicht ins Wanken bringen und den Kosten eine höhere Gewichtung beibringen. Für gleiche Qualität und bei gleicher zeitlicher Anforderung werden plötzlich erhöhte Kosten fällig die nur schwerlich auf den Kunden umzuwälzen sind.
Durch die heutigen digitalen Möglichkeiten ist kurzfristige Verfügbarkeit ein kritisches Entscheidungs- und Vergleichskriterium der Kunden geworden. Hier kann die Nachhaltigkeit eine Alternative zur klassischen optimierten Lagerhaltung bieten – regionaler Bezug, optimierte und verkürzte regionale Lieferketten unter Berücksichtigung der CO² Bilanz sind dann sogar ein nachhaltiger positiver Einfluss auf den Faktor Zeit/ Geschwindigkeit.
Es bleibt jedoch die Frage wie diese Veränderungen eine Chance für eine strategische Neuausrichtung sein können. Vereinfacht gesprochen war die erste Konsequenz des Onlinehandels und digitaler Prozesse Preistransparenz und Vergleichbarkeit – wer erinnert sich nicht an den Slogan „Geiz ist geil“. Diese Welle schlug dann durch alle an der Value Chain beteiligten Akteure nieder. Der Endkonsument vergleicht natürlich aber ebenso vergleicht der Verarbeiter, der Handel, der Hersteller, der Verpackungshersteller, der Maschinenbauer, der Rohstoffhändler und Rohstoffproduzent. Vergleichbarkeit für alle!
Bleibt ein Unternehmen in diesem Kostendruck gefangen wird auch hier Nachhaltigkeit einen Wert erhalten – wenn auch im schlimmsten Fall bedingt durch zukünftige steuerliche Herausforderungen einen negativen Wert. Verschiebt man den Fokus auf das vermeintliche nachhaltige Nischenprodukt ermöglicht dies Chancen auf eine deutlich verbesserte Marge für alle Beteiligten. So sind Endkunden aktuellen Studien zufolge bereit mehr als das doppelte für das Endprodukt zu bezahlen, nur um über Zertifikate und Nachweise ihr Nachhaltigkeitsgewissen rein zu waschen – selbst wenn man qualitativ kein Unterschied im Produkt wahrnehmen kann – „Öko ist sexy“!
Wichtig bleibt bei dem Fokus auf nachhaltige Produkte natürlich die Glaubhaftigkeit. Im Sinne eines nachhaltigen Branding sollte ich all die Investitionen und Anstrengungen zur Nachhaltigkeit auch publik machen. Dabei ist jedoch nicht zu vernachlässigen auch die Kultur des Unternehmens in der Führung, die Prozesse und die Organisation hin zur Nachhaltigkeit zu verändern. Authentische nachhaltige Produkte müssen aber auch vollständig durchdacht sein bis zur Verpackung.
Um Nachhaltigkeit in der Supply und Value Chain wirklich zu verankern bedarf es mehr als nur eine Anforderung zu erfüllen. Die Nachhaltigkeit in der Unternehmenskultur verankern, den Nachhaltig-keitswert für den Kunden analysieren, Transparenz schaffen und Management /Entscheidungs- Prozesse auszurichten sind nur vier der vielfältigen Facetten, um den Wert der Nachhaltigkeit langfristig zu realisieren.
Autor: Rainer den Ouden