Strategie und Tagesgeschäft – Herausforderung für den Einkaufsleiter

Menschen neigen dazu, Dinge, die nicht funktionieren, in den Vordergrund zu setzen. „Der Lieferant liefert keine gute Qualität.“ oder „wir haben nur Reklamationen mit der Lieferung“ oder „die Einsparungen waren aber höher geplant“ sind tagtägliche Rückmeldung an den Einkauf. Für eine Rückmeldung wie: „Wir konnten heute so produzieren wie wir geplant hatten, Material war ausreichend da“ wird keiner den Telefonhörer in die Hand nehmen. Schnell ist man daher als Einkäufer oder Einkaufsleiter gefangen im Tagesgeschäft.

Die Position des Einkaufsleiters kann als eine klassische Sandwich-Position bezeichnet werden, und dieses im Quadrat. Neben den Aufgaben einer klassischen Führungsposition bzgl. Mitarbeiterführung und Abteilungsorganisation kommen die Aufgaben im Berichtswesen gegenüber der Geschäftsführung dazu. Und als sei das noch nicht genug, sitzt der Einkaufsleiter genau in der Schnittstelle zwischen Bedarfsträger und Lieferant. Diese Einordnung gilt natürlich nicht nur für den Einkauf, sondern für alle Bereiche eines Unternehmens. Kein Unternehmen funktioniert heute noch in reinen Silos, Prozesse sind unternehmensübergreifend mit vielen Schnittstellen und Akteuren. Arbeitsteilung in Organisationen ist nichts neues.

Nun arbeiten wir aber schon seit Jahren in der 4. Industriellen Revolution, der Digitalisierung unserer Abläufe und Arbeitsinhalte. Und immer mehr digitale Lösungen entstehen, werden marktreif und wollen sich verkaufen. Der Einkauf und im speziellen den Einkaufsleiter wird über die unterschiedlichsten Kanäle auf neue Lösungen hingewiesen, die für sich immer eine Optimierung in Anspruch nehmen. Sei es im Bezug auf Prozessdurchlaufzeiten, Fehlervermeidung oder Kosteneinsparungen.

Herausforderung erfolgreich meistern

Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass das VUCA Prinzip in Mode gekommen ist. VUCA basiert auf einer Entwicklung der amerikanischen Armee, um auf die Auswirkungen des Endes des Kalten Krieges zu reagieren. VUCA (VUKA) steht für Volatility (Volatilität) (Unbeständigkeit), uncertainty (Unsicherheit), complexity (Komplexität) und ambiguity (Mehrdeutigkeit). Bekannt sind die Begriffe sicher aus dem Tagesgeschäft in einer Einkaufsabteilung, die Auswirkungen auf das Tagesgeschäft sind sicher aber in starker Abhängigkeit von den allgemeinen und warengruppenspezifischen Rahmen zu sehen. Die Antwort mit diesen Herausforderungen umzugehen sieht das VUCA Modell in den Ausprägungen Vision, Understanding, Clarity und Agile. Übersetzen kann man dieses am besten durch: eine agile Organisation mit Transparenz über die eigenen Leistungen und eine eindeutige Vision kann mit Unwägbarkeiten durch externe Einflüsse gut bis sehr gut umgehen.

Dabei bedeutet eine eindeutige Vision nicht „wie wir es immer gemacht haben“, Transparenz bedeutet nicht nur Daten, sondern auch ein Verständnis für diese und damit verbunden auch Maßnahmen, um zu reagieren und Agile Organisation nicht eine Aussage wie „wir sind jetzt agile, fertig“. Zusammengefasst bedeutet diese ein neue Art des Arbeitens für alle Beteiligten.

Was bedeutet das nun für einen Einkaufsleiter?

Herausforderungen des Tagesgeschäfts, Sandwich Positionen im Unternehmen und zu Lieferanten, Digitalisierung mit immer neuen Lösungen und die Anforderungen an die Organisationsentwicklung. Kurz zusammengefasst: Strategie und Tagesgeschäft müssen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Und das ist nicht einfach. Wir als ADCONIA bieten über den VDMA einen Zertifizierungslehrgang strategischer Einkäufer an und da merken wir bereits, wie häufig das Tagesgeschäft sich in die Köpfe der Zertifikatslehrgangsteilnehmer setzt, wie häufig das Telefon klingelt oder das Postfach.

Wichtig für jeden Einkaufsleiter ist die Einsicht, dass Strategie und Organisationsentwicklung ein kontinuierlicher Prozess sind und damit auch ihren Platz im Terminkalender haben müssen. Jeder Versuch, in der freien Zeit oder nach dem letzten Termin sich mit diesen Themen zu beschäftigen, wird scheitern. Strategie und Organisationsentwicklungen macht man nicht nebenbei. Ziele setzen und einhalten muss man vorleben, agiles Arbeiten muss man vorleben. Und Termin zur Strategiefindung sind nicht diejenigen, die als erstes weggeschoben werden.

Strategie und Tagesgeschäft funktioniert, wenn beides als gleichwertig angesehen wird. Und nur durch Strategie werden Sie es schaffen, dass Tagegeschäft in eine Form zu bringen, die nicht nur aus Feuerlöschen besteht. Und wenn Sie es nicht allein schaffen, mal neben sich zu treten und Ihre Abteilung von außen zu betrachten, fragen Sie einen Kollegen aus einer anderen Abteilung (oder uns als ADCONIA). Ein Blick von außen zeigt meistens schnell die Baustellen, an denen Sie arbeiten sollten. Und viele sind nur Tagesbaustellen.

 

Autor

Oliver Kreienbrink