Agilität: Komplexe Lieferketten erfolgreich gestalten durch agiles Supply Chain Management
Nicht erst seit der Covid19-Pandemie ist die Anfälligkeit globaler Lieferketten deutlich erkennbar. Regionale Konflikte, Handelskriege, Protektionismus etc. stellen die in vielen Bereichen der Industrie sehr komplexen Lieferketten immer wieder unter eine Zerreißprobe. Der Aufwand sie für das eigene Unternehmen stabil zu halten steigt. Die damit verbundenen Risiken können unter Umständen existentielle Ausmaße annehmen.
Das vor allem seit Beginn der 1990- Jahre in allen Bereichen der Wirtschaft propagierte Global Sourcing hatte zunächst einmal ein Ziel – Kosteneffizienz. Dieses war durch die Einbeziehung neuer Produktionsmärkte, die zunächst kostengünstig und in der zeitlichen Folge auch kapazitativ und zunehmend ebenso qualitativ liefern konnten und wollten, ein strategischer Fokus, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten oder auszubauen.
Durch die fortschreitende Perfektionierung des Supply Chain Managements in den Unternehmen, waren spätestens ab den 2000-Jahren additional die Messgrößen aus dem Lean-Management-Ansatzes hinzugekommen. Mit der Folge, dass man sich in weiten Teilen der Wertschöpfungsketten recht eindimensional bewegte, da „verschwendungsfreie Prozessketten“ als das Non-plus-ultra jeglichen unternehmerischen Tuns gesehen wurde und oft noch wird.
Wenn „verschwendungsfrei“ als Synonym für „kosteneffizient“ oder „kostenoptimal“ im eigentlichen gesamtbetriebswirtschaftlichen Sinne genommen wird, kann man die Komplexität durch die eindimensionale Ausrichtung des Global Sourcings durchaus in Frage stellen.
Natürlich und selbstverständlich wird es auch in Zukunft global vernetzte Lieferketten geben und geben müssen – ansonsten würde man jeglichen internationalen Export und Warenaustausch in Frage stellen. Allerdings könnte man dem reinen „Lean-Management-Ansatz“ bei der Gestaltung der Supply Chain den Ansatz des „agilen“ Managements entgegen oder zumindest zur Seite stellen.
Agile Supply Chain Organisationen
Agiles Supply Chain Management in einer Organisationen ist primär nicht reaktiv in Ihrem Tun, sondern agieren proaktiv in ihrem Marktumfeld. Sie antizipieren durch ihre prozessual und organisatorisch verankerte Ausrichtung, Veränderungen frühzeitig wahrzunehmen und sich entsprechend darauf vorzubereiten bzw. anzupassen. Das ist ausdrücklich nicht zu verwechseln mit Beliebigkeit und rein taktischem Verhalten. Es ist vielmehr das in den Strukturen des Supply Chain Managements verankerte Prinzip, Marktanalysen, Innovationen, unternehmensspezifisches Risikomanagement und Kundenanforderungen fortlaufend zu messen, zu bewerten, Maßnahmen abzuleiten und dynamisch umzusetzen. In einer agil-organisierten und geführten Supply Chain sind es in der Regel nicht die unmittelbaren äußeren Einflüsse, die das Handeln und die Entscheidungen beeinflussen, sondern die Zielsetzung Lernfähigkeit bei jedem einzelnen zu fordern und als Organisation gezielt zu fördern.
- Fehlentscheidungen werden „neugierig“ analysiert und
- Verbesserungsbedarf daraus formuliert.
- Vertikale Strukturen, die ein Silodenken fördern, werden aufgebrochen und
- bereichs- und unternehmensübergreifende Interaktion und Kommunikation gefördert.
- Risikomanagement ist keine administrativ geprägte Pflichtveranstaltung, sondern
- transparenzorientiertes, unternehmerisches, proaktives Handeln.
- Die regelmäßige Ermittlung und Vereinbarung konkreter, messbarer Ziele ist
- bereichs- und hierarchieübergreifende Aufgabe aller Beteiligten,
- unter explizierter Einbeziehung externer Wertschöpfungspartner.
- Ein besonderer Fokus liegt auf der Innovationsfähigkeit eigener Prozesse und Strukturen,
- was sich in der fortlaufenden Digitalisierung zuvor optimierter Arbeitsschritte widerspiegelt.
Agiles Supply Chain Management ist eine Antwort auf die Herausforderungen sich schnell verändernder Marktbedingungen. Sie ist das Gegenteil von reaktiven, kostspieligen Schnellschüssen. Zwar ist eine agile Supply Chain kein alleiniger Garant für den Unternehmenserfolg – allerdings ist es ein unverzichtbarer Bestandteil für die Erhaltung einer belastbaren Wettbewerbsfähigkeit.
Agiles Supply Chain Management setzt für das Unternehmen voraus:
- Bereitschaft Transparenz in seinen eigenen Lieferstrukturen und Lieferketten herzustellen.
- Transparente & effiziente Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungkette zu definieren.
- Eine Unternehmensleitung, die das Prinzip der Agilität versteht, unternehmensweit entwickelt, einfordert, fördert und vorlebt.
- Innovationen als eine sich dauerhaft fortsetzende Chance zu verstehen.
- Zu Beginn ein begleitendes Change-Management zu initialisieren, um die notwendige Agilität von der strategischen Ebene auch in den täglichen Arbeitsalltag nachhaltig zu übertragen.
Kurz- und mittelfristige Kostenoptimierungen in allen Supply Chain-Prozessen und langfristige Absicherung der eigenen, ununterbrochenen kosteneffizienten Lieferfähigkeit sind die greifbaren Ergebnisse eines agilen Supply Chain Managements. Die Entscheidung das Unternehmen in diese Richtung zu lenken ist eine vorrangige, strategische Aufgabenstellung der Führung.
Gregor van Ackeren
Managing Partner