In 100 Tagen die Weichen stellen

„Wen das Auge nicht überzeugen kann, überredet auch der Mund nicht“ – das Sprichwort des österreichischen Poeten Franz Grillparzer ist sicher nicht der Wahrheit letzter Schluss. Trotzdem, der erste Eindruck zählt viel mehr als alle Folgenden. Im beruflichen Umfeld zählt neben dem visuellen ersten Eindruck natürlich auch der inhaltliche. Gerne werden neue Mitarbeiter beim ersten Zusammentreffen bereits inhaltlich und fachlich „geprüft“. Dann werden aktuelle Problemstellung kurz zusammengefasst und vom neuen Mitarbeiter eine einfache und schnelle Lösung erwartet. „Wie wollen Sie denn dieses Problem lösen?“

Generell wird nach 100 Tagen die erste Bilanz gezogen. Sei es vom neuen Vorgesetzten oder von den Kollegen. Und denken Sie an die übliche Probezeit; nach der Hälfte der Zeit sollten Sie wissen, wo Sie hinwollen und wie Sie dort hinkommen.

Beim ersten inhaltlichen Eindruck ist es notwendig gut vorbereitet zu sein. Dazu gehört es, einen eigenen Plan für die ersten 100 Tage zu haben. Bewährt haben sich folgende fünf Phasen für die ersten 100 Tage:

Zuhörphase / Discovery – Lernen Sie Ihr Umfeld kennen

Lernen Sie Ihre Mitarbeiter, Stakeholder, Prozesse, Schnittstellen und die wichtigsten Lieferanten kennen. Durch offene Fragen lässt sich schnell und einfach ein 360° Feedback zur aktuellen Situation einholen. Als neuer Mitarbeiter und Ansprechpartner sind Sie historisch unbelastet. Durch eine standardisierte Fragestellung wie z.B. „Wie bewerteten Sie die aktuelle Leistungsfähigkeit von 1= schlecht bis 5= sehr gut?“ haben Sie die Möglichkeit, die Vielzahl Ihrer Gespräche im Nachgang aufzubereiten. So können Sie im Nachgang Aussagen tätigen wie: „Meine Gesprächspartner der letzten drei Wochen sehen die Leistungsfähigkeit im Durchschnitt bei 3,4 von 5 möglichen Punkten. Da ist noch Luft nach oben für uns.“ oder „Bei der Leistungsfähigkeit hat uns keiner eine 1= schlecht gegeben, allerdings auch keiner eine 4 oder 5!“

Abgleichphase / Baseline – mehr als nur Kennzahlen

Schauen Sie sich die Kennzahlen, Prozesse und Methodik in Ruhe und detailliert an. In Kombination mit der Zuhörphase entwickeln Sie so für sich die Ausgangslage. Und nehmen Sie sich Zeit, die Kennzahlen in aller Tiefe zu verstehen. Auf welchen Daten basieren diese, wie werden sie berechnet? Gibt es einen Automatismus oder werden Kennzahlen manuell, nach bestem Wissen gebildet? Sie wollen in Zukunft aussagekräftig zu den Kennzahlen sein und sollten Sie daher auch verstanden haben. Gleiches gilt für die Prozesse und die Methodik. Nehmen Sie sich vorhandene Beschreibungen, Anweisungen und Handbücher und vergleichen diese mit der Realität. Bei Abweichungen zwischen Theorie und Realität sind die Gründe sicher sehr interessant, besonders für die nächste Phase.

Architekturphase / Potentials – eine klare Sicht verschaffen

Bei methodisch sauberem Vorgehen sollten Sie über die Zuhör- und Abgleichphase einen ausreichenden Überblick über die Prozesse haben, bei denen es hakt und klemmt. Und wenn Sie dann noch die Verbindung zu den Kennzahlen hinbekommen, haben Sie schnell und verifiziert einen Überblick über die möglichen Potentiale einer Veränderung. In der Architekturphase können Sie Ihre Erfahrungen, Ihre Vorstellungen hinsichtlich Ziele, Prozesse und Methodik mit den gegebenen Rahmenbedingungen abgleichen und anstreben. Vergessen Sie dabei nicht Ihre Mitarbeiter. Nutzen Sie die Zeit und machen sich ein klares Bild über die benötigten Stellen und deren Anforderungsprofile. Nur so sind eine zielgerichtete Organisationsstruktur und die begleitende Mitarbeiterentwicklung möglich.

Aktionsphase / Roadmap – 100% muss nicht das Ziel sein

Kurzfristige Erfolge steigern Ihre Reputation und zeigen Ihren Bereitschaft Veränderungen zu gestalten. Warten Sie daher nicht ab, bis Sie eine zu 100% durchkonzipierte Roadmap mit Zielen und detaillierten Meilensteinen zur Zielerreichung erstellt haben, sondern identifizieren Sie parallel schon Maßnahmen, die Ihnen kurzfristig ein messbares Ergebnis sichern.  Setzen Sie diese um. Bei der Roadmap definieren Sie realistische, aber ambitionierte Ziele mit Zeitplan, Budget und Potential.

Umsetzungsphase / Implementation – Umsetzung will überwacht werden

Machen Sie Betroffene zu Beteiligten. Holen Sie sich zeitnah die Zustimmung der Geschäftsführung und der wichtigsten Stakeholder für Ihre frühen Maßnahmen und dann für den Implementierungsplan, sobald Ihre Roadmap steht. Bleiben Sie bei der Umsetzung eng am Ball. Nichts macht Sie als Führungskraft unglaubwürdiger, als viele Ankündigungen und Pläne deren Umsetzung keiner überwacht.

Und falls Sie einen erfahrenen Ideengeber und Sparringspartner für die Phasen benötigen; genau das ist unser Geschäft.

 

Oliver Kreienbrink

Managing Director, ADCONIA GmbH (Oberhausen)

Sinja Krauskopf

Consultant, ADCONIA GmbH (Oberhausen)