Vorhersehbarkeit der Herausforderungen 2020

Wie der deutsche Mittelstand aktuell aus 2009 lernen kann

Bullwhip

Transparentes Lieferanten- und Lieferkettenmanagement ist für den Mittelstand die Voraussetzung für die erfolgreiche Überwindung des kommenden Bullwhip-Effekts in 2020.

Die Krise, die durch COVID-19 global und somit auch in Deutschland ausgelöst wurde, beeinträchtigt in einem zunehmend starken Ausmaß die Supply Chain, also die Lieferketten des Mittelstands. Dass dieses in der Krise besonders offensichtlich wird ist für viele Unternehmer ein schmerzliches Erwachen.

Ehrlicher Weise muss man konstatieren: es ist ein Erwachen aus einem selbstgewählten Schlaf oder einer weitverbreitenden Lethargie in Hinblick auf stringentes und professionelles Management der eigenen Lieferketten und der Lieferanten durch Supply Chain Management und Einkauf. Trotz der Krise 2008/2009, in der (aus anderem Grunde) schon einmal weitreichende Zusammenbrüche weltweiter Lieferketten zu einem erheblichen Einschnitt in den tatsächlichen Produktionskapazitäten führten, trotz dieser Krise wurden oft keine nachhaltigen Veränderungen in den Lieferantenmanagementstrukturen – und prozessen vorgenommen. Dabei ist es unbestritten, dass Unternehmen grundsätzlich Transparenz über Lieferanten und Lieferketten benötigen, um wettbewerbsfähig zu agieren. Dieses wird in einer Krise überdeutlich und könnte sich spätestens ab Juni 2020 für viele Mittelständler bitter rächen.

Der sogenannte „Bullwhip-Effekt“ in den Lieferketten schlägt spätestens dann zu, wenn die dringend erwarteten Neuanläufe der Produktion in den einzelnen Unternehmen beginnen.

Als Bullwhip-Effekt bezeichnet man ein bekanntes Phänomen, dass nämlich Abrufe bei den Lieferanten zu größeren Schwankungen unterliegen, als zeitgleich der Verkauf an die Kunden. Diese schlechte Synchronisierung der eigenen Bedarfsplanung vom Kunden in Richtung der externen Lieferketten führt zu einer regelmäßig erheblichen Abweichung zwischen Nachfrage und Bedarf. Dieser Abweichungs-Effekt schaukelt sich aufgrund vielschichtiger Lieferketten, die aufeinander aufbauen, in vorgelagerter Richtung der Lieferkette auf – ein Aufschaukeln, das sich verstärkt desto weiter die Lieferkette sich ihrem Ursprung nähert. Vergleichbar dem Staueffekt auf einer stark befahrenen Autobahn, wo das leichte, jedoch unkoordinierte Bremsen an der Spitze einer Kolonne zu einem zeitversetzen, immer stärkeren Abbremsen in der Gesamtkette führt, bis hin zum Stillstand der hintersten Fahrzeuge. Ein Wiederanfahren ist meistens nur sehr zögerlich und mit mehreren Unterbrechungen möglich.

Kennt man diesen Effekt, der sich aus 2009 mannigfaltig darstellen lässt, so gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine ist, sich schicksalsergeben auf das was da kommen mag „überraschen“ zu lassen. Der Grundgedanke ist dabei regelmäßig der, dass es „ohnehin die meisten treffen wird, dann ist es bei mir halt auch so….“. Die andere Möglichkeit ist, sofort aktiv sein Lieferanten- und Lieferkettenmanagement anzugehen und in ersten, wesentlichen Schritten zu strukturieren. Die dafür notwendigen Basisdaten und -informationen sind im Unternehmen vorhanden. Strukturen für ein Krisenmanagement der Supply Chain liegen in einem gezielt durchgeführten stark selektiven Lieferantenmanagement. Hierbei werden Elemente des Risikomanagements verbunden, mit dem Warengruppen- und Lieferantemanagement. Hinzukommt ein strukturiertes Kommunikationskonzept, um einen fortlaufenden Daten- und Informationsaustausch mit den systemkritischen Lieferanten und dessen Vorlieferanten sicherzustellen.

Selbstverständlich ist ein solches Vorgehen keine Vollkasko-Versicherung für ein problemloses Wiederanlaufen der Lieferketten und damit der eigenen Lieferfähigkeit Richtung der Kunden. Es ist aber die beste und unbedingt notwendige Voraussetzung für eine optimale Startposition. Die Unternehmen, die sich in 2008 / 2009 intensiv während der Krise mit diesen Fragen beschäftigt haben, waren einerseits die ersten die wieder in einem erheblichen Umfang am Marktgeschehen erfolgreich teilnehmen konnten und zweitens diejenigen, die während der Krise und danach ein angepasstes Bestandsmanagement vorweisen konnten. Der damit verbundene Liquiditätseffekt war wesentlich und verstärkte die Wettbewerbsfähigkeit in einem insgesamt sehr angespannten Gesamtmarkt.

Fazit ist, dass, selbst wenn man aufgrund der andauernden Hochkonjunktur auf Einkauf & Supply Chain bisher nicht die notwendige Aufmerksamkeit gerichtet hat, man trotzdem jetzt noch wirkungsvoll handeln kann. Der Vorteil kurzer Entscheidungswege in den meisten mittelständischen Unternehmen, um sich dieser Aufgabe zu widmen, ist gegeben. Die langfristige Priorisierung von Lieferantenmanagement und Lieferketten ist dadurch unbenommen. Jetzt gilt es aus der Krise von 2009 zu lernen und unmittelbar aktiv zu werden.

Autor: Gregor van Ackeren