And the winner is: Agiler Einkauf

Während der ersten Phase der SARS-COV2 Krise hatten wir mit vielen unserer aktuellen und ehemaligen Kunden Kontakt und haben mit ihnen die Frage besprochen: Wie gut ist ihr Einkauf durch die Krise gekommen und was sind die Herausforderungen an die Nach-Krisenzeit, den Hochlauf? Die Kollegen der ADCONIA haben dabei stets die Kategorien Zufriedenheit, Kommunikation, Verantwortung und Motivation bezogen auf die Einkaufsabteilung sowie die Einkäufer diskutiert.

Grundlage der Überlegung für uns war die Fragestellung, ob und wie unterschiedliche Führungs- oder Projektmanagementarten eine Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit in einer Krise auf ein Team haben. Die Rückmeldungen, die wir bekommen haben, zeigen einen Gewinner in dieser Krisensituation: Agiles Projektmanagement oder Agiler Einkauf. Auch wenn viele der Befragten diese Begrifflichkeit nicht genutzt haben, ihr Verhalten oder das Verhalten des Einkaufs in der Krise ist aber als agil zu bezeichnen.

Was macht einen agilen Einkauf besonders: Ein agiler Einkauf nutzt agile Projektmanagement-Methoden, um täglich auf neue Informationen kurzfristig, flexibel und schnell reagieren zu können. Dabei übernehmen die Teammitglieder die Verantwortung für die Ihnen zugewiesenen Aufgaben. Agilität ist ein Merkmal des Managements einer Organisation (Wirtschaftsunternehmen, Non-Profit-Organisation oder Behörde), flexibel und darüber hinaus proaktiv, antizipativ und initiativ zu agieren, um notwendige Veränderungen einzuführen. Wichtiger Faktor neben der Kurzfristigkeit der Maßnahmen ist die direkte Kommunikation im Team. Dabei geht es vor allem um die proaktive Kommunikation durch Führungskräfte und aber auch durch die Teammitglieder.

Das agile Manifest

Zwar ist das agile Manifest schon einige Jahre alt und bezieht sich primär auf die Softwareentwicklung, nichts desto trotz sind die darin enthaltenen festgelegten Werte und Prinzipien immer noch aktuell und lassen sich deshalb auch auf den Einkauf anwenden.

  • Die Zufriedenheit der Kunden steht an oberster Stelle.
  • Die sich schnell verändernden Rahmenbedingungen innerhalb eines Projektes müssen immer beachtet und zugunsten des Kunden angepasst werden.
  • Dienstleistungen, Services oder zum Produkt werden in kürzeren regelmäßigeren Zeitspannen Updates geliefert, die Projektarbeit erfolgt in Meilensteinen.
  • Die enge Kooperation zwischen Einkauf und internen Kunden muss täglich erfolgen.
  • Die Teams erhalten für die Arbeit die notwendigen Tools und bleiben zu jeder Zeit motiviert, um konstant gute Ergebnisse zu liefern.
  • Regelmäßige Meetings von Angesicht zu Angesicht für den schnellen Erfolg (in diesem Fall auch digital als Übergangslösung).
  • Ein fertiges funktionierendes Endprodukt (z.B. eine Bestellung oder auch ein Vertrag) ist der Maßstab für Erfolg.
  • Durch agile Prozesse soll die Kostenoptimierung nachhaltig erfolgen.
  • Die Steigerung der Agilität durch den Fokus auf technische Exzellenz und ein angemessenes Design.
  • Die Arbeitsprozesse so simpel wie möglich halten.
  • Selbstorganisation, Eigenverantwortung und das Erarbeiten eigener Strukturen sollte für die Teams im Fokus stehen.
  • Regelmäßige Überprüfung und Verbesserung der Teamarbeit.

Die Einkaufsabteilungen, die mit ihrer eigenen Leistung während der Coronakrise zufrieden oder sehr zufrieden waren, haben sich genau dieser Tools des agilen Projektmanagement bedient. Als Beispiel wurden die SCRUM-Ansätze daily run und abgeschlossene Aufgabenobjekte genutzt, die Teammitglieder haben Verantwortung für ihre Pakete übernommen und alle Aufgaben bezogen auf einen Kundenauftrag wurden so verteilt, dass ein täglicher Erfolg nachweisbar wurde.

Shut Down & Recovery – richtiges Krisenmanagement

Der Kundenauftrag war, unabhängig von der Branche die Sicherstellung der Versorgung, die Liquiditätssicherung und die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des Einkaufs. In dieser ersten Phase jeder Krise „Shut Down & Recovery“ haben sich die Maßnahmen bei allen Befragten geähnelt, mit unterschiedlichen Ausprägungen und Startpunkten. D.h., bei allen wurde zunächst ein Ziel gesetzt: In zwei Wochen soll der Einkauf sich auf die neue Situation eingestellt haben.

Bei den Befragten, die mit dem Ergebnis sehr zufrieden oder zufrieden waren, wurden im nächsten Schritt verschiedene Maßnahmen-Pakete erstellt und Teammitglieder mit eindeutigen Zeitschienen zugeordnet. In täglichen Meetings (Krisenstab) wurden der Fortschritt und die Ergebnisse vorgestellt und damit eine übergreifende Kommunikation gesichert.

Anstatt dem Team Disposition die Aufgabe zu stellen innerhalb der nächsten zwei Wochen die Bedarfsplanung an die neuen Bedarfe anzupassen, wurde im Sinne des agilen Projektmanagements aus diesem Gesamtziel tägliche Maßnahmen-Pakete erstellt und in den täglichen Berichtsrunden besprochen und bewertet.

Bei allen anderen wurden keine neuen Berichtswege eingeführt und die allgemeine Zielsetzung den Teamleiter und Mitarbeitern mitgeteilt.

Fast Ramp up – die Zukunft agil gestalten

Auch wenn nur wenige von agilem Einkauf oder SCRUM gesprochen haben, so sind die Werkzeuge und Methoden von allen als wirklich positiv und motivierend wahrgenommen worden. Dieses führt dazu, dass man dieselbe Methodik für den anstehenden Fast Ramp Up nutzen will und wird. Zur Vermeidung des Bullwhip-Effects sollen dann auch Lieferanten in die Systematik integriert werden.

Hier ist es wichtig, dass neben der Langfristplanung (z.B. Jahresmengen) die mittel- und kurzfristige Planung regelmäßig angepasst wird bis hin zu einer tagesaktuellen Planung. Und dabei sollten alle Teilnehmer der Lieferkette einbezogen werden, um überflüssige Bedarfsmengen aufgrund von Intransparenz zu vermeiden. Wichtig dabei ist, dass automatisierte Dispositionsverfahren in ERP-Systemen ebenfalls in die verkürzten Planungsintervalle integriert werden. Und alles das immer bezogen auf die aktuellen Kundenbedarfsanforderungen und mit Blick auf den Bottleneck einer Supply Chain.

Um ihren Einkauf agil zu gestalten brauchen Sie drei Komponenten: die richtigen Werkzeuge, Motivation und die Teilnahme aller Beteiligten.

Für die Werkzeuge benötigen Sie keinen SCRUM-Master, aber SCRUM stellt die richtigen Werkzeuge und Methoden zur Verfügung. Nutzen Sie die für Ihre Organisation notwendigen.

Motivation und Teilnahme erreichen Sie durch ein konsequentes Change Management und durch eine auf Ihren Einkauf angepasste Methodik. Ein daily run ist super, aber vielleicht auch nicht für das ganze Team.

Wir arbeiten in unseren Projekten seit Jahren nach der Methodik des agilen Projektmanagement und haben die SCRUM Methodik für Beratungsprojekte adaptiert. Dieses konnten wir aktiv bei Kundenprojekten auf die Einkaufsabteilungen transportieren. Um es nicht zu theoretisch zu machen, nennen wir es bloß nicht immer SCRUM. Auch ein Tipp.

Autor: Oliver Kreienbrink