Mai 2022: Way Forward strategischer Einkauf

Im Einkauf der Zukunft wird es mehr Funktionen als strategischen und operativen Einkauf geben. Wie können Unternehmen ihren Einkauf in eine Richtung entwickeln, ohne die Grundlagen eines Einkaufs nicht zu verlieren und trotzdem die neuen Aufgaben richtig integrieren? Meiner Meinung nach muss es im Einkauf der Zukunft drei Säulen geben, mit klaren Aufgaben und Zielen. Bei allen anderen Ansätzen verwischen sich die Ziele so stark, dass am Ende nur wenig erzielt wird.

Vor einiger Zeit habe ich mich in einem Projekt mit dem Thema Motivation beschäftigt. Eigentlich für ein klassisches Projekt zur Optimierung von Prozessen im Einkauf engagiert, wurde dem Projektteam schnell deutlich, dass nur eine Digitalisierung von Prozessen nicht den gewünschten Ertrag erzielen würde. Dem Einkauf fehlte in Summe ein Ziel, ein klares Zielbild.

Bei der Recherche nach Arten von Motivation, Gründe für das Vorhandensein oder eben das Fehlen von Motivation stieß ich auf eine einfache, aber auch logische Unterscheidung: Die Weg-von und die Hin-zu Motivation. Die Weg-von Motivation kennt jeder von uns: Die Motivationen, einen aktuellen Zustand zu verändern (Gewicht, Fitness, Arbeitsaufwand, Zeitfresser). Leider endet diese Art der Motivation sehr häufig nach kurzer Zeit oder bei ersten Widerständen. Der Aufwand für die Veränderung wird dann als zu hoch eingeschätzt. Bei der Hin-zu Motivation sieht dieses meistens anders aus. Ein klar definiertes und erreichbares Ziel vor Augen können auch kleine Widerstände überwunden werden.

Strategisch gleich gestaltend?

Wie lässt sich dieses auf den strategischen Einkauf übertragen. Die beste Übersetzung für „strategisch“ ist aus meiner Sicht „gestaltend“. Der strategische Einkauf wurde in vielen Unternehmen eingeführt, als man vom Einkauf mehr erwartet hat als die Abwicklung von Bestellungen. Gestaltend bezog sich dabei primär auf Verhandlungen mit Lieferanten über bessere Konditionen und Preise. Der operative Einkauf bestellt auf Basis der durch den strategischen Einkauf festgelegten Konditionen und Preise. Eine einfache und nachvollziehbare Zieldefinition für beide Teams. Die Erreichung dieses Ziels ist für viele Einkaufsabteilungen noch in weiter Ferne. Und was passiert mit all den neuen Themen wie Umwelt, Soziale Verantwortung, Risiko und Versorgungslücken? Diese werden als Zusatzaufgaben an den strategischen Einkauf gegeben. Natürlich kann man diese Themen unter dem Begriff „Konditionen“ ansiedeln, diese stehen dann aber in Konkurrenz zu dem eigentlichen Ziel, optimale Preise zu erzielen. Praktisch gesagt, der strategische Einkauf hat als Ziel die Preise um 4% zu senken und gleichzeitig Zertifikate und Berichte zu den Themen Umwelt, Soziales und Risiko einzufordern. Dazu soll der Lieferant noch die CO2 Menge an jeden Artikel schreiben und alles digital über die unternehmensinterne Softwarelösung einreichen. Da fallen die 4% schnell man unter den Tisch, ein guter Vertriebler bekommt das einfach hin. Eine schnelle und einfache Lösung in vielen Einkaufsabteilungen sind aktuell neue Funktionen: Beschaffungscontrolling, Nachhaltigkeitsmanager, Digitalisierungsexperten oder Prozessverantwortliche (denken Sie sich bitte die englischen Titel). Ich konnte erleben, wie zu einer Verhandlung mit einem Lieferanten ein ganzes Team aus dem Einkauf aufgebrochen ist.

Was ist dann aber der Way Forward für den strategischen Einkauf?

Was ist dann aber der Way Forward für den strategischen Einkauf? Vielleicht ist es jetzt der richtige Zeitpunkt, das Thema Einkauf komplett neu zu überdenken. Ist die aktuell weit verbreitete Organisation in einen strategischen und einen operativen Einkauf noch zeitgemäß? Und wie verteilen sich die alten und neuen Aufgaben in Zukunft auf die Teams?

Im Einkauf der Zukunft werden primär drei Funktionen benötigt: Lieferquellenfindung, Lieferantenmanagement und Systemmanagement. Was verstehe ich darunter:

Lieferquellenfindung: Finden und Auswahl der besten Lieferanten bis zur Festlegung und regelmäßige Optimierung der Konditionen mit Lieferanten

Lieferantenmanagement: Entlang des gesamten Lebenszyklus der Zusammenarbeit mit einem Lieferanten die Erlangung der notwendigen Transparenz und Einbindung hinsichtlich Qualifizierung, Qualität, Risiko, Umwelt und Soziale Standards

Systemmanagement: Bereitstellung und Pflege von Einkaufssystemen zur automatisierten Abwicklung von Bestellungen an Lieferanten, Support für die Endanwender

Eine Hin-Zu-Motivation zeigt den Weg für die drei Bereiche

Die Bezeichnung der drei Bereiche kann man sicher diskutieren. Supplier Lifecycle Management, Forward Sourcing, Contract Management, Order Management oder Order Support. Einfacher ausgedrückt: Der Erste findet den Lieferanten und legt die Konditionen fest, der Zweite regelt die Zusammenarbeit und kümmert sich um die notwendige Transparenz und der Dritte sorgt für einen reibungslosen Ablauf von Bestellungen und Lieferungen.

Damit lassen sich eindeutige Verantwortlichkeiten und damit verbunden Ziele festlegen. Eine Hin-Zu Motivation zeigt den Weg für die drei Bereiche. Messgrößen sind Einkaufskosten, Transparenzquote und Automatisierungsgrad. Natürlich ist eine enge Abstimmung zwischen den drei Säulen wichtig und eine gegenseitige Abhängigkeit ist gegeben, aber jedes Team kann an seinem Ziel arbeiten und seinen Bereich entsprechend weiterentwickeln.

Kennen Sie den Ansatz Zero-base-Budgeting, die Budgetplanung die mit einem zurücksetzen auf Null startet und dann die Notwendigkeiten bestimmt und bewertet? Übertragen Sie einfach diese Idee auf Ihre Einkaufsorganisation und schauen, was wirklich wichtig ist für einen guten Einkauf.