Nachhaltigkeit & Ethik im Wirtschaftsleben

Nachhaltigkeit und Ethik sind im Wirtschaftsleben und im Konsumverhalten kein Trendthema mehr, sondern zunehmend in der Realität der Verbraucher verankert. Durch diese Verankerung im Verbraucherverhalten kommt die Industrie – branchenübergreifend – in Zugzwang zu handeln, soweit sie dieses in ihrer eigenen Wertschöpfungskette noch nicht thematisiert hat.

Denn es reicht nicht mehr aus, in der unternehmenseigenen Wertschöpfung nachhaltig und ethisch zu agieren, sondern auch in dem Management der Lieferkette, also zugekauften Wertschöpfung.

Transparenz in der Lieferkette

Voraussetzung hierfür ist eine durchgehende Transparenz. Diese Transparenz ist kein Selbstzweck, sondern Ausdruck der unternehmerischen Verantwortung gegenüber dem Kunden, den eigenen Mitarbeitern und der Gesellschaft insgesamt. So müssen beispielsweise Unternehmen, die klimaneutral werden wollen, in der Lage sein, den CO2-Ausstoß für ihre gekauften Teile, die Lieferkette, die Produktion, die Verpackung und die Auslieferung tatsächlich messen bzw. nachweisen können.

Spiegelbildlich fordert der Kunde und Verbraucher umfassende Informationen über die Produkte, die erworben werden, vor und nach seiner Kaufentscheidung. Es ist daher ein preisbildendes Element und die Bereitschaft dieses zu honorieren wächst parallel zum öffentlichen Bewusstsein. Hinzukommt, dass auch die bald geltenden legislativen Vorgaben sowohl auf europäischer, als auch auf nationaler Ebene.

Im April 2020 hat EU-Justizkommissar Reynders angekündigt, dass im Frühjahr 2021 ein Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz vorlegt werden soll. Auch das EU-Parlament, hat sich im November 2020 wiederholt für eine entsprechende Regelung ausgesprochen. Ziel ist es die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zum Schutz von Menschenrechten und der Umwelt (z.B., aber nicht nur, beim sogenannten CO2-Fußabdruck der Unternehmen) in der Lieferkette auf EU-Ebene als Rahmen festzulegen und die nationale Umsetzung der Mitgliedsstaaten einzufordern.

Die Dimensionen des Lieferkettengesetzes

Auf der Ebene z.B. der deutschen Politik ist die Forderung nach einem Lieferkettengesetz präsent und es ist nach Einschätzung aller politischer Parteien, nicht mehr eine Frage nach dem ob, sondern mehr nach dem wann. Gerechnet wird mit einem entsprechenden Gesetz in 2021. Aber auch in anderen EU-Staaten ist dieses Gesetzgebungsverfahren angestoßen.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Sommer 2020 Vorschläge für die Eckpunkte eines Lieferkettengesetzes erarbeitet.

Das Gesetz soll nach dem Willen der beiden Ministerien:

  1. definieren, welche Pflichten Unternehmen beim Schutz von Menschenrechten haben und wie Unternehmen diesen in ihren Lieferketten nachkommen können.
  2. Unternehmen dazu verpflichten, über ihre Anstrengungen Bericht zu erstatten.
  1. die Rechte von Arbeitnehmern vor Gericht stärken und einen Weg eröffnen, Schadensersatzansprüche in Deutschland geltend zu machen.

Ein paar Eckzahlen, um die Dimension der Lieferketten allein für Deutschland zu demonstrieren und so eine vage Vorstellung von der vor uns liegenden Aufgabe zu bekommen, die eine umfassende Transparenz hierüber bedeuten wird:

Im Jahr 2018 erwirtschafteten die ca. 320.000 deutschen Export-Unternehmen einen Umsatz von 1,32 Billionen €.

Ca 775.000 deutsche Import-Unternehmen erwirtschafteten im selben Zeitraum einen Umsatz von 1,09 Billionen €.

Da das Lieferkettengesetz besonders auch die Verpflichtung zu ethischem und nachhaltigem Verhalten deutscher Lieferquellen im Ausland im Fokus hat ist bemerkenswert, dass folgende Branchen in Deutschland einen erheblichen Anteil importierter Vorleistungen haben:

  • Textilindustrie 63 %
  • Elektronik 45 %
  • chemische und pharmazeutische Industrie 39 %
  • Lebensmittelindustrie 37 %
  • Automobilindustrie 29 % und
  • Maschinenbau 28 %

(Quelle: BMZ)

Die unternehmerische Verantwortung

Auf Einkaufs- und Supply Chain-Verantwortlichen kommt daher kurzfristig eine noch umfassendere unternehmerische Verantwortung für eine Lieferantenauswahl nach Kriterien der Nachhaltigkeit zu und, dass ist entscheidend, auch die Verpflichtung eben diese Lieferketten durchgehend transparent zu kontrollieren. Eine Mamutaufgabe, die allerdings durch frühzeitige, strukturierte Aufstellung entsprechende Prozesse und Tools auch ohne zusätzlichen Overhead zu bewältigen ist.

Für den Unternehmer stellt sich in kritischer Selbstreflexion daher die Frage:

  • Wie umfassend transparent sind unsere Lieferketten und die Lieferketten unserer Vorlieferanten?
  • Wie erfassen und verarbeiten wir fortlaufend die notwendigen Daten und wie stellen wir effizient sicher, dass unser Lieferanten- und Lieferkettenmanagement im wahrsten Sinne des Wortes „nachhaltig“ ist?
  • Gibt es eine Roadmap für unser Unternehmen wie und bis wann wir diese Anforderungen umgesetzt haben werden?
  • Ist die Zielsetzung, die sich aus dem anstehenden Lieferkettengesetz für unser Unternehmen konkret ergibt, definiert und ausformuliert und ist diese Zielsetzung unternehmensweit kommuniziert?

Wer diese Fragen nicht oder nur unzureichend beantworten kann, sollte jetzt handeln. Denn weder der Gesetzgeber noch der Kunde (egal ob B2C oder B2B) werden in naher Zukunft Versäumnisse hier tolerieren. Es geht um nicht weniger als um die dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit des eignen Unternehmens.

Erleichternd ist abschließend festzustellen, dass fast alle Unternehmen aktuell vor dieser Herausforderung stehen, egal ob Groß-Konzern oder Mittelstand. Und es gibt Lösungsansätze die, werden sie mit Hilfe entsprechender Experten für Wertschöpfungs- und Lieferketten rechtzeitig angegangen, dem Unternehmen ausreichend Spielraum lassen diese im laufenden Geschäftsbetrieb erfolgreich umzusetzen.

 

Autor

Gregor von Ackeren