Oliver Kreienbrink
Jessica Murawski
Oft vernachlässigt: Effizienzsteigerung durch Verschwendungsvermeidung
„Jeder hat etwas gegen Verschwendung, gegen zu hohe Preise, doppelte Arbeit oder Tätigkeiten ohne Sinn und Verstand. Besonders im Arbeitsumfeld sind uns Tätigkeiten, die keinen Mehrwert erzeugen, oft ein Graus.“, sagt Oliver Kreienbrink, Managing Director bei ADCONIA. Wenn beispielsweise aufgrund fehlender Informationen im Prozess dieser nicht weitergeht, Informationen zum dritten Mal abgetippt werden oder aufgrund von fehlenden Schnittstellen Dokumente doppelt angelegt werden müssen. Viele Mitarbeiter kennen solche Fälle von Verschwendung von Zeit oder Kapazitäten, sind jedoch nicht in der Lage, eine übergeordnete Sicht einzunehmen. Und: Es wurde ja schon immer so gemacht.
Wie bereits in unserem letzten Blog-Beitrag erläutert, stellt die Prozessmodellierung eine bedeutende Methode für die Effizienzsteigerung in einem Unternehmen dar. Im Rahmen unserer Projekte nutzen wir hierzu ein erweitertes SIPOC-Modell, mittels dessen wir Ist-Prozesse unserer Kunden strukturiert aufnehmen und gemeinsam Soll-Prozesse entwickeln. Dieses erfolgt stets übergeordnet in einer End-to-End Sicht, damit entlang eines gesamten Geschäftsprozesses eine Optimierung erfolgt. An dieser Stelle stellt sich aber genau die richtige Frage: Wie gelangt man vom Ist zum zukünftigen Soll? Was gilt es zu fokussieren, anzupacken und zu korrigieren? Oder anders: Wo findet die meiste Verschwendung statt und wie kann diese im Gesamtkontext eliminiert werden?
An dieser Stelle tritt Muda in die Projektarbeit. Muda ist das japanische Wort für Verschwendung oder sinnlose Tätigkeit und wird im Lean Management für ineffiziente Prozesse genutzt, d.h. Aktivitäten, die Ressourcen verbrauchen, ohne dabei einen Wert zu stiften. Verschwendungen können negativen Einfluss sowohl auf Qualität als auch Zeit haben. Der Begriff geht auf den langjährigen Toyota-Produktionsleiter Taiichi Ōno zurück, der in den 1950-Jahren maßgeblich an der Entwicklung des Toyota Produktionssystems (TPS) beteiligt war. Ziel dieses Systems war es, die Produktionsprozesse bei Toyota effizienter zu gestalten und Verschwendung zu minimieren. Neben Produktionsprozessen lässt sich Muda aber genauso gut auf jede Art von Prozess oder Arbeitsablauf übertragen. Während Ōno sieben Arten von Verschwendung unterscheidet, wird später eine achte ergänzt, so dass man heute im Lean Six Sigma von acht Arten der Verschwendung spricht, die im Folgenden anhand von Beispielen erläutert werden.
- Fehler: Diskrepanzen durch unsichere Prozesse oder fehlende Informationen
Beispiele:
– Daten werden schriftlich erfasst und anschließend manuell in ein System abgetippt. Dabei kommt es zu Zahlendrehern und die im System erfassten Werte sind falsch bzw. müssen aufwändig korrigiert werden.
– Fehlerhafte Produkte müssen nachgebessert werden, was zusätzliche Kosten und Zeitverlust verursacht. Gleichzeitig kann das Vertrauen der Kunden in die Qualität der Produkte gefährdet werden.
- Überproduktion: Unnötige Prozesse oder falsche Prognosen
Beispiele:
– Verschiedene Akteure im Unternehmen erstellen unabhängig voneinander ähnliche Berichte oder Dokumentationen, ohne zu wissen, dass andere Abteilungen bereits ein ähnliches Dokument erstellt haben. Die Berichterstattung führt zu unnötigem Aufwand und Ressourcenverbrauch.
– Eine Fabrik produziert zu viele Artikel, die nicht benötigt werden. Zum einen werden unnötig Ressourcen vergeudet, die anderweitig hätten eingesetzt werden können. Weiterhin muss die Überproduktion gelagert oder gar vernichtet werden, was Folgekosten verursacht.
- Verzögerungen: Wartezeiten in Prozessen durch Engpässe oder fehlende Entscheidungen
Beispiele:
– Mitarbeiter warten auf Informationen, Materialien oder Vorarbeiten, ohne die sie Ihre Arbeit nicht fortsetzen können.
– Werden Kundenaufträge ohne klare Priorisierung bearbeitet, kann es zu Verzögerungen bei der rechtzeitigen Auslieferung bzw. Fertigstellung kommen. Das Kundenvertrauen sinkt.
- Nicht genutzte Talente: Verschwendung durch der Stelle nicht entsprechende Aufgaben oder wiederholende Tätigkeiten
Beispiele:
– Die Arbeitszeit eines strategischen Einkäufers ist dadurch gebunden, dass er einzelnen Lieferverzögerungen nachgeht und sich hierbei mit Lieferant und anfordernder Abteilung abstimmt.
– Ein Teamleiter führt Arbeiten aus, die auch eine angelernte Hilfskraft übernehmen könnte.
- Transport: Zeitverschwendung durch nicht zielführende Abläufe im Prozess
Beispiele:
– Zu genehmigende Vorgänge werden mittels Unterschriftenmappen im Unternehmen von einem Entscheidungsträger zum nächsten gegeben. Dies frisst nicht nur Zeit, sondern birgt zudem die Gefahr, dass Vorgänge während des Transportvorgangs verloren gehen.
– Materialien oder (Vor-)Produkte müssen für verschiedene Arbeitsschritte in der Produktion von einem Ende der Fabrik zum anderen transportiert werden, was Zeit und Energie kostet.
- Bestand: Verschwendung durch zu hohe Anzahl von Geschäftsvorfällen bei einzelnen Prozessschritten
Beispiele:
– Das gleiche Dokument wird sowohl in Papierform als auch (teils mehrfach) digital gespeichert, ohne dass eine zentrale und integrierte Lösung zur Archivierung und Verwaltung von Dokumenten existiert. Es fließen unnötige Ressourcen in die doppelte Verwaltung und Organisation der Bestände.
– Eine Fabrik hat zu viel Vormaterial auf Lager, das nicht unmittelbar benötigt wird. Dies bindet Kapital und Platz.
- Bewegung: Fehlende Konzentration auf einen Geschäftsvorfall durch unnötige Wechsel von Aufgaben
Beispiele:
– Ein Mitarbeiter wird immer wieder durch Anrufe aus seiner aktuellen Tätigkeit gerissen. Für jeden Anruf muss er sich in das besprochene Thema hineindenken, ggfs. entscheiden, ob er seine Arbeit aufgrund des Anrufs in anderer Reihenfolge fortsetzt, und sich schlussendlich erneut in die unterbrochene Bearbeitung begeben.
– In einer Fertigungsumgebung sind Werkzeuge oder Maschinen nicht an den richtigen Arbeitsstationen oder in unmittelbarer Nähe der Arbeiter positioniert. Diese müssen sich ständig bewegen, um ihre Werkzeuge zu suchen oder zu holen, anstatt diese direkt am Arbeitsplatz griffbereit zu haben.
- Extra-Bearbeitung: Zusätzliche Prozessschritte, die für einzelne Geschäftsvorfälle unnötig sind
Beispiele:
– Eine eingehende Rechnung wird durch diverseste Instanzen überprüft und genehmigt, obwohl die Rechnung 1:1 mit (genehmigter) Bestellung und Wareneingang übereinstimmt und eine Dunkelbuchung möglich wäre.
– Informationen oder Produkte werden mehrfach durch unterschiedliche Akteure überprüft, obwohl eine einzelne ausgiebige Kontrolle vollkommen ausreichend wäre oder die Reduzierung von Fehlerpotenzial im vorgelagerten Prozess eine Kontrolle ggf. komplett obsolet machen könnte.
Diese Beispiele zeigen, dass Verschwendungen in vielen Bereichen auftreten können, die sowohl die Fertigung als auch das Management betreffen. Diese Verschwendungen zu identifizieren und zu reduzieren, hilft Unternehmen, effizienter zu arbeiten, die Produktions- und Dienstleistungsqualität zu erhöhen und Kosten zu sparen. Gleichzeitig bietet sich ein hohes Potenzial, die Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern zu erhöhen.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor dabei ist die übergeordnete Sicht auf den Gesamtprozess. Viele bekannte Verschwendungen beziehen sich auf die Arbeitssituation des Einzelnen. Die Optimierungsansätze sind dann häufig eine Verlagerung von Tätigkeiten ohne die Eliminierung der Verschwendung im Gesamtprozess. Dieses gilt sowohl für interne als auch externe Prozesse. Die Verlagerung einer zeitraubenden Tätigkeit an einen Lieferanten oder eine andere Abteilung vermeidet keine Kosten, sondern verschiebt diese nur. Zielsetzung ist die Vermeidung von Verschwendung und die damit verbundenen Kosten im Gesamtprozess. Dazu trägt die Nutzung von Lean Six Sigma und die kontinuierliche Verringerung von Verschwendungen bei, zur Steigerung von Effizienz und Reduktion von Kosten.
ADCONIA – Außerhalb des Gewöhnlichen.
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