Februar 2022: Immer mehr Einkauf

Wenn Sie von Mumbai nach Norden über den National Highway 8 die Stadt verlassen kommen Sie nach ca. 150 km in die Stadt Vapi. Am Fluss Daman gelegen haben sich in dieser alten Handelsstadt viele Industrien angesiedelt, früher viele aus dem Bereich der Textilindustrie, heute zu 70 % Chemie und HealthCare.
Berühmt ist Vapi allerdings nicht wegen seiner über 1.400 Industrieunternehmen, Vapi schafft es in den letzten Jahren regelmäßig in die Liste der 10 dreckigsten Städte der Welt. Die dreckigste Stadt Indiens ist sie schon lange. Ich hatte das fragwürdige Vergnügen um 2010 herum etwas nördlich von Vapi zu arbeiten und werde den Gestank der Luft und der Straßen im Großraum Vapi nicht vergessen.

Was hat einer der dreckigsten Städte der Welt mit einem modernen Einkauf zu tun? Vapi taucht als Produktionsstandort nur selten auf. Hier werden Vorprodukte, Färbemittel oder Bestandteile von Arzneien hergestellt. In wenigen Fällen für den Endkonsumenten, und schon gar nicht für den Europäischen Markt. Hat der Einkauf in der Vergangenheit einfach einen gefärbten Jutebeutel in Süd-Indien bestellt, muss, auch durch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, sich der Einkauf mit der gesamten Lieferkette beschäftigen. Und dann kann und wird Vapi auf einmal auftauchen.

Soziale und ökologische Standards erfassen

Immer mehr Einkauf bedeutet die Erweiterung der Funktion des Einkaufs in den Unternehmen. Schon lange nicht mehr nur der Abwickler von Bestellungen, so ist der Einkauf in den letzten Jahren stark in die Funktion eines Kostenmanagements gewachsen. Mit der allgemeinen Digitalisierung von Unternehmen war auch dort der Einkauf meistens an erster Stelle. Interne Prozesse wurden optimiert und digitalisiert und der Austausch mit Lieferanten automatisiert. Und als nächstes großes Thema kam die Lieferkettentransparenz.

Wenn heute ein Einkäufer zu einem Lieferanten z.B. nach Indien fährt, geht es nicht mehr nur um Liefermengen und Qualitätskontrolle. Es geht um sozialen und ökologischen Standard und deren Einhaltung. 2010 haben die Mitarbeiter in einer Gießerei noch Flipflops getragen, heute nicht mehr vorstellbar.

Der Einkauf muss sich stellen und setzt dabei auf Transparenz

Immer mehr Einkauf bedeutet aber auch die stärkere Einbindung von Einkaufsabteilungen in Vertriebsprozesse. So wie der Einkauf seine Lieferketten durchleuchtet, durchleuchten Kunden wiederrum ihre Lieferketten. Und dann kommen die Anfragen entsprechend in die Einkaufsabteilungen, von Nachhaltigkeit über Soziale Standards bis zum Risikomanagement.

Transparenz in Lieferketten bedingt einen starken, aktiven Einkauf, immer ein wenig mehr Einkauf in den Unternehmen. Das geht einher mit neuen Profilen für den Einkauf. Von guten Stammdatenmanagern, guten Einkäufern, guten Analysten, guten Beziehungsmanagern bis zu guten Projektleitern sind alle Profile in Zukunft in Einkaufsabteilungen vertreten. Der Einkauf wird somit immer mehr zu einer Querschnittsfunktion.

An Grundlagen denken

Bei dem ganzen zusätzlichen Rollen und Funktionen muss aber auch immer wieder der Blick auf die Kernaufgaben des Einkaufs gelenkt werden: Kostenmanagement und optimale Lieferantenbeziehungen. Beides sind die Grundlagen für einen erfolgreichen Einkauf, auch für Nachhaltigkeit und Social Green Procurement.