Februar 2019: Warum vergleichen wir uns gerne?

„Im letzten Jahr konnten wir die Durchlaufzeiten einer Bestellung um 17 % senken und sind jetzt im Branchenvergleich unter den TOP3 mit Tendenz zum Platz 1.“ so die fröhliche Aussage eines Einkaufsleiters beim Smalltalk während einer Veranstaltung. Ohne Aufforderung wurde ein Vergleich gestartet der zu wohlwollendem Kopfnicken der Anwesenden führte. Eine genaue Definition des Vergleichsgegenstandes, des Maßstabes oder der Bedingungen interessierten anscheinend niemanden. Anstatt diese in Frage zu stellen antworteten die anderen Beteiligten mit ihren Highlights des vergangenen Jahres.

Sich mit anderen zu vergleichen ist schon immer Teil unseres Lebens. Kleinkinder und ihre Entwicklung werden von Eltern stets verglichen. In der Schule beginnt das Vergleichen mit der ersten Zeugnisvergabe, später im Sportunterricht geht es um Meter oder Sekunden. Auf internationaler Ebene spricht man vom PISA Test beim Vergleich von Schulleistungen. Diese Vergleiche gehen dann privat und beruflich weiter.

Unternehmen vergleichen sich selber anhand von Bilanzkennzahlen und werden extern durch Ratingagenturen oder unabhängige Testierungen verglichen. Gerne werden Awards oder Auszeichnungen präsentiert.

Supply Chain und Einkaufsabteilungen stehen dem in nichts nach: Benchmarks werden durchgeführt, über Verbände werden Kennzahlen zur Leistung erhoben. Sich zu vergleichen und daraus Maßnahmen abzuleiten, um besser zu werden ist jederzeit zu begrüßen. Aber wie betont man bei vielen Verhandlungen, generell bei Preisvergleichen gerne: Man muss Äpfel mit Äpfeln vergleichen.
Die Parameter eines jeden Vergleichs sind der Gegenstand, der Maßstab, die Bedingungen sowie der Zweck. Der Gegenstand bestimmt was verglichen wird und anhand welchen Attributs. Apfel und Birne lassen sich vergleichen, wenn man als Attribut die Süße nimmt. Aus diesem Grund lassen sich auch Supply Chain und Einkaufsabteilungen vergleichen, dabei kommt es nur auf die richtige Auswahl von Attributen an. Bei den zu vergleichenden Objekten muss darüber bestimmt werden, ob man intern und/ oder extern vergleichen möchte.

Neben dem Gegenstand ist der Maßstab entscheidend. Dieser muss klar definiert und von allen akzeptiert sein. Die Süße von Äpfeln und Birnen vergleicht man nicht über eine Verköstigung, sondern über den Fruchtzuckergehalt. Dieser lässt sich bestimmen und ist für jeden nachvollziehbar. Damit verbunden sind aber auch die Bedingungen. Ein reifer Apfel hat sicher mehr Fruchtzuckergehalt als eine unreife Birne. Übertragen auf Supply Chain und Einkauf sind die Bedingungen anhand von Branche, Unternehmensgröße oder Mitarbeiter-anzahl zu erheben und als Bedingungen zu betrachten.
Am Ende oder eigentlich viel besser am Anfang eines jeden Vergleiches sollte der Vergleichszweck stehen. Warum will ich einen Vergleich und was bringt mir das Ergebnis? Kann ich daraus Ergebnisse ableiten, die mir helfen besser zu werden?

Eine Reduktion der Durchlaufzeit der Bestellungen um 17 % ist ein super Ergebnis. Für einen Vergleich muss ich aber den Absprung kennen, die Anzahl der Bestellungen in Summe und das Verhältnis von Einkäufern zu Bestellungen. Ich muss die Anzahl von Kontrakten, von Artikeln und vor allem die durchschnittliche Anzahl von Bestellpositionen kennen und vergleichen.

Daher die Frage an uns und auch eine sehr häufige Diskussion mit unseren Kunden: Was für ein Ergebnis bringt ein Benchmarking?
Benchmarking macht Sinn. Benchmarking einer Einkaufsorganisation sollte aber nicht auf wenige Kennzahlen beschränkt werden, sondern sollte sich mit der Gesamtpositionierung befassen. Wo steht die Supply Chain Abteilung, wie sieht sie im Branchenvergleich aus und was ist das Soll-Modell für meinen Einkaufs? Diese Philosophie steht hinter unserem Smart Procurement Check.

Die Durchlaufzeit von Bestellungen deutlich zu reduzieren und effektiver zu gestalten ist ein anzustrebender Sollzustand. Und das bedeutet gemessen an der Absprungbasis und im Kontext des Gesamtzieles einer Abteilung unterschiedliche nummerische Ausprägungen. Ob 5 oder 7 oder 17 % der richtige Benchmark sind ist schwer zu sagen. Dass die Durchlaufzeit deutlich reduziert werden muss beschreibt aber teilweise das Ziel.

Denn jeder Vergleich bringt nichts ohne Ziele und Maßnahmen zur Zielerreichung. Andere sind nicht besser oder schlechter, nur anders. Und das kann wiederum besser sein.

Autor: Oliver Kreienbrink