Der ewige Wettstreit – Einkauf und Vertrieb um das beste Ergebnis

Nimmt man das Grundkonzept der Spieltheorie erzielen Einkauf und Vertrieb ein für beide Seiten positives Ergebnis, wenn beide nah an den eigenen Zielen für eine Verhandlung einen Abschluss tätigen. Das funktioniert nur, wenn die Zone für eine Einigung (in der sich min / max Vorstellungen von beiden Seiten überlappen) groß genug ist und für beiden noch einen Spielraum (Verhandlungsmaße) beinhaltet.

Angestachelt durch Prämien, usw. haben beide Seiten das Ziel, durch Intransparenz mehr erreichen, schlauer zu sein als das Gegenüber, ihre Machtposition auszuspielen. Jeder will Geld verdienen, max. viel Geld verdienen. Entweder durch bessere Einkaufspreise oder noch höhere Verkaufspreise. Häufig sehen beide Parteien Verhandlungen als einen Kampf an. Hier vielleicht mal die Definition (Wikipedia, 11.09.2020):

„Als Kampf (von althochdeutsch kampel „Zank“, von lateinisch campus „(Schlacht)Feld“) wird eine Auseinandersetzung zweier oder mehrerer rivalisierender Parteien bezeichnet, deren Ziel es ist, einen Vorteil zu erreichen oder für das Gegenüber einen Nachteil herbeizuführen. [….] Oft hilft eine Strategie dabei, einen Vorteil zu gewinnen.“

Die richtige Strategie – Informationen als Vorteilsbringer

Hier spricht man dann gerne von Verhandlungsstrategie. Diese beinhaltet, wie die eigenen Ziele für die Verhandlung durchgesetzt werden sollen. Eigene Ziele beziehen sich dabei auf einen möglichst großen eigenen Nutzen, immer bezogen auf die nächste Verhandlung. Nicht verwunderlich daher, dass ein Buch wie Sunzi: die Kunst des Krieges, Machiavellis: Der Fürst oder Miyamoto Musahis: Das Buch der fünf Ringe noch heute zur Pflichtlektüre eines Managers gehört. Bei allen drei Büchern geht es, um die richtige Strategie einen Krieg oder einen Konflikt zu gewinnen.

Schaut man sich aber die Inhalte genauer an, kann man eine weitere parallel finden. Aus Sunzi: Die Kunst des Krieges: Wenn du den Feind und dich selber kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Basis einer jeden Strategie ist die Informationshoheit. Die eigenen Fähigkeiten zu kennen, diese zu bewerten und eigene Stärken zu identifizieren. Gleiches gilt dann für das Gegenüber. Welche Stärken und Schwächen lassen sich identifizieren und wie können die in einen Gesamtkontext gebracht werden. Und in erster Linie: Wie kann ich Schwächen zu meinen Gunsten ausnutzen.

Transparenz als Grundlage zur Strategiefindung

Es gibt viele verschiedene methodische Ansätze, um Verhandlungen zu führen: Havard-Konzept (Beste Alternative) bis zu spieltheoretischen Ansätzen. Gemeinsam auch hier: Mein Ergebnis optimieren, um einen Abschluss zu bekommen.

Beschäftigt man sich mit Sunzi, findet man aber auch: … das wahre Ziel des Krieges ist der Frieden.

In einem Informationszeitalter, in dem wir heute leben, ist Intransparenz immer weniger ein adäquates Mittel für eine gute Verhandlung zwischen Einkauf und Vertrieb. Kostenstrukturanalysen, Branchenkostenstrukturen oder weltweite Benchmarks erlauben dem Einkauf eine stets besser werdende Information über Preise und Kosten. Fabelpreise für Artikel oder Dienstleistungen („wir nehmen unseren internen Kostensatz immer mal 4,3“) sind heute nicht mehr im Markt zu platzieren. Die in den verschiedenen Management-Ansätzen und in den Techniken zur Verhandlungsführung geforderte Transparenz als Grundlage für die Strategiefindung ist heute möglich. Doch zu welchem Ergebnis führt es den Austausch zwischen Einkauf und Vertrieb?

Bekomme ich das, was ich möchte?

Das Ziel jeder Verhandlungstechnik ist die beste Alternative, die Win-Win Situation oder das ausgewogene Mittel der Verhandlungsmaße. Also am Ende ein Kompromiss. Durch die gestiegene Transparenz wird aber der Verhandlungsraum heutzutage immer klarer. Wurde früher vielleicht der interne Kostensatz mal 4,3 multipliziert und daraus der Angebotspreis bestimmt, als Beispiel 43 €, so war es für den Einkäufer ein Erfolg bei 36 € abzuschließen. Immerhin den Angebotspreis um 17 % runtergehandelt. Ein gr0ßes Ergebnis für den Einkauf.

Durch weltweite Benchmarks, durch Kostenstrukturanalysen oder Linear Price Performance sind sich Einkäufer heute bereits vor einer Ausschreibung über das Preisniveau im Klaren. Das ist eine Aufschlagskalkulation von 4,3 nicht mehr durchzusetzen. Interner Kostensatz plus Vertriebskosten und Marge liegt dann eher bei 12 €, was zu einem Angebotspreis von 14 € führt, nicht wie früher zu 43 €.

Der Verhandlungsspielraum verengt sich entsprechend auf 10 bis 14 €. Jetzt kommt es auf die Wettbewerbssituation und das Verhandlungsgeschick an. Nehmen wir mal an, das Ergebnis liegt bei 11,70 €. Eine Win-Win Situation, der Vertrieb gibt etwas von den 20 % Marge ab und hat trotzdem noch ein gutes Ergebnis.

Abschließende Frage: Muss es einen Sieger geben?

Mit jeder neuen Verhandlungsrunde verengt sich aber der Verhandlungsspielraum weiter. Und irgendwann kommen beide Seiten zu dem Punkt von Sunzi: …das wahre Ziel des Krieges ist der Frieden. Dieses weitegedacht: Eine gemeinsame Reduktion von Kostentreiber auf beiden Seiten ist dann der einzige Weg für Einkauf und Vertrieb, ein gutes Ergebnis noch zu verbessern.

Wenn man sich diese Entwicklung anschaut, und die Digitalisierung der Kommunikation wird das noch verstärken, muss realistisch die Frage gestellt werden, ob Wettstreit zwischen Einkauf und Vertrieb heute noch modern ist.

Autor

Oliver Kreienbrink