Mobile payment

Chinas Volksinnovationen am Beispiel Mobile Payment

Ich persönlich erinnere mich an eine Vorlesung Anfang der 2000er im Fach Planung & Organisation zum Schwerpunkt Mobilfunkunternehmen und die Aussage von Professor Torsten J. Gerpott an der Mercator School of Management lautete: „Vertrauen Sie mir, es wird die Zeit kommen, da werden Micropayments mit dem Handy gemacht, Ihre Parkuhr zahlen Sie mit dem Handy und das häufig eingesetzte Zahlmittel an der Supermarktkasse wird auch aus der Hosentasche kommen aber elektronisch sein.“ Es mag absurd klingen aber in der Zeit gab es an den wenigsten Handys ein Farbdisplay, Amazon steckte in den Kinderschuhen und die @ Taste auf den Nokias und Siemens Handys war die teuerste Taste, denn schon 100 MB waren mit 30€ unglaublich teuer und das world wide web auf eine mobile Nutzung noch gar nicht vorbereitet.

Mobile Payment als Selbstverständnis

Heute muss ich immer wieder an die damaligen Worte denken und meine Verwunderung über diese Weitsicht und Visionskraft. Natürlich hat die Pandemie dem Mobile Payment noch einen weiteren Boost auch hierzulande gegeben. Doch wie langsam wir in dieser Entwicklung sind, zeigt der Vergleich zu meinen persönlichen Erfahrungen in China. Als ich 2015 als Head of Sourcing & Purchasing bei meinen damaligen chinesischen Lieferanten unterwegs war, war Bargeld schon ein selten gesehenes Zahlungsmittel und Kreditkarten kamen eher in Lokationen zum Einsatz, wo auch Touristen und westliche Besucher unterwegs waren. In den Bars und Restaurants habe ich an der Kasse nur Chinesen gesehen, die einen QR Code scannten und dann über das Handy und entsprechende Apps die Zahlung angewiesen haben. In völliger Faszination habe ich mir das Prinzip erklären lassen von Alipay und Wechat Pay. Danach fiel mir auf, dass selbst bei Straßenverkäufern kein Bargeld mehr genutzt wird und mir selbst Bettler auf der Straße aufgefallen sind, die nur einen QR Code vor sich stehen hatten. Ich fragte mich, ob diese Entwicklung gegenüber der westlichen Welt einfach schneller war oder schon länger da war.

Erlebte Innovationen

Schaut man in die historische Entwicklung dann kommt das bargeldlose Bezahlen mit dem Smartphone fast zeitgleich 2013/2014 in den USA und China auf den Markt. Aber neben strukturellen Voraussetzungen in China – die Gewährung von Banklizenzen auf Kosten staatlicher Kreditinstitute und ein weniger hohes Datenschutzverständnis – gibt es eigentlich nur einen weiteren entscheidenden Faktor zur schnellen Durchsetzung der Technologie die junge Kultur. Was dies meint, sind insbesondere die Altersstruktur – so sind 700 Mio. Chinesen jünger als 40 – und weiterhin die neue nationale Identität. In dieser Identität ist der Umgang mit Innovationen beeinflusst durch den erlebten Grad der Veränderung. Nicht nur gab es in den letzten Jahren infrastrukturelle Sprünge, sondern vor allem mentale. Alleine die Steigerung des Bruttoinlandsprodukts ist im pro Kopf Wert um das 32-Fache seit 1990 gestiegen. Alle Veränderungen, die auf die westliche Welt ebenso gewirkt haben wie das Internet, Handys, Smartphones, soziale Medien, Big Data, oder auch Elektroautos – 47% aller weltweit zugelassenen Elektroautos fahren in China (3,4 Mio.) – erhöhen die gefühlte Veränderung. Und bei einem so hohen Index an gefühlter Veränderung, war es ein leichtes eine Innovation anzunehmen und die Vorteile schnell und konsequent umzusetzen. Die Menschen in Peking aber auch in „kleineren“ Städten wie Qingdao benutzten von heute auf morgen kaum noch Bargeld und stellten auf mobile Zahlungen um. Nur zum Vergleich in 2018 hat WeChat Pay 1,2 Milliarden Transaktionen pro Tag abgewickelt während Apple Pay als führendes Mobile Payment in den USA 1 Milliarde Transaktionen pro Monat abgewickelt hat.

Richtige Strategien ableiten

China wird also auf dem Weltmarkt eine neue Rolle einnehmen. Nicht nur als Verbraucher, Partner und Wettbewerber, sondern gerade als Innovationstreiber. Die stärkste Waffe hierbei ist die beispiellos anpassungsfähige und anpassungsbereite Bevölkerung. Hieraus sollten wir lernen und auch Trends ableiten. Wo wir heute im Handel noch mit der richtigen Strategie hadern, sieht man die Online- und Offlineökosysteme im chinesischen Einzelhandel verschmelzen. In Chinas Supermärkten gibt es überall QR Codes, die umfassende Hintergrundinformationen zur Ware liefern und durch den Verbraucher genutzt werden.

 

Rainer den Ouden

Partner. ADCONIA GmbH