Henne oder Ei: Agile Personen oder agile Prozesse
Eine agile Transformation steht bei vielen Unternehmen aktuell auf der Agenda. Nicht selten kommt der Hinweis aus der Geschäftsführung „Wir müssen agiler werden, denn unsere Prozesse sind zu starr und verhindern unser Wachstum!“. Doch wenn man retrospektiv auf die Unternehmen schaut, bei denen die agile Transformation nicht funktioniert hat, findet man einen Schlüsselfaktor: den Wandel zur Agilität als reines Prozessthema zu verstehen. Wenn wir bei Kunden die digitale Agenda 2025 gestalten und begleiten dürfen, aber gleichzeitig Führungskräfte vorfinden, die sich Ihre Mails ausdrucken lassen und schlimmstenfalls handschriftliche Kommentierungen auf diese Ausdrücke verfassen, liegt ein gewisser Zielkonflikt schon auf der Hand. Auch eine patriarchisch geprägte Führungskultur mit einem hohen Druck, jede noch so unwichtige Entscheidung durch wenige Führungskräfte freigeben zu lassen, erhöht nicht unbedingt das agile Mindset.
Pandemie als Beschleuniger zu Agilität?
Wenn in einem Unternehmen nun teilweise gezwungenermaßen die Prozesse agiler werden, ein erhöhter Grad an digitalen Prozessen, die bisher Analogen ablöst und gleichzeitig neue Formen der Zusammenarbeit wie beispielsweise Videokonferenzen, erhöhter Anteil Homeoffice Einzug erhalten, könnte man doch davon ausgehen, dass dieser Wandel zum agilen Mindset nun notgedrungen auch verankert wird. In den ersten Monaten des new normal erleben wir leider das Gegenteil in vielen Organisationen: viele Führungskräfte versuchen so schnell wie möglich in alte Verhaltensweisen wieder zurückzukommen.
Persönlichkeitsprofil von Führungskräften
Wie lässt sich dies erklären? Das Lüneburg Institute for Corperate Learning hat die Big Five der Führungskräfte untersucht und ist dabei auf interessante Ergebnisse gestoßen. Die Big Five sind das Standardmodell der modernen Persönlichkeitspsychologie. Es handelt sich dabei um fünf stabile, voneinander unabhängige Dimensionen, die die menschliche Persönlichkeit am besten beschreiben. Die Dimensionen sind dabei die Extravision, die Gewissenhaftigkeit, Offenheit, Verträglichkeit und Neutrotizismus. Die Persönlichkeitsprofile der Führungskräfte weisen insbesondere in drei Dimensionen eine starke Abweichung vom agilen Mindset auf. Eine starke Ausprägung in der Gewissenhaftigkeit ist eine normale Ausprägung bei Führungskräften, diese resultiert im Anspruch auf eine detaillierte, langfristige Planung und einem disziplinierten, strukturierten und systematischen Vorgehen mit hohem Kontrollbedürfnis und geringer Fehlertoleranz. Dies stellt einen krassen Gegensatz zu den Ansprüchen im New Work da, die nach flexiblen Strukturen, schnellen Entscheidungen unter Unsicherheit und nach Dynamik und Improvisation verlangen. Insbesondere braucht sie aber auch Persönlichkeiten, die Fehler nicht nur tolerieren, sondern in Ihnen eine Chance zur Weiterentwicklung sehen. Offenheit ist ein zentraler Bestandteil der Agilität. Eine starke Ausprägung mit Interesse an neuen Entwicklungen, visionäre Denkweisen, Experimentierfreudigkeit und Begegnung von Herausforderungen mit unkonventionellen Ansätzen und weist somit die höchste Korrelation zur Kreativität auf. Sie resultiert auch darin verkrustete Strukturen kritisch zu hinterfragen. Also genau die Merkmale eigentlich die man von einer modernen Führungskraft erwarten darf. Die Untersuchung zeigt jedoch, dass Führungskräfte hier durchschnittlich ausgeprägt sind und 30% sogar zur Beständigkeit als Gegenpol tendieren. Verträglichkeit also in starker Ausprägung das kooperative Verhalten, Eingehen von Kompromissen und die Priorität der Teamgedanken über eigene Bedürfnisse und das Verständnis der Führungskraft als Coach und Sparringspartner sind in agilen Strukturen unumgänglich. Erstaunlicherweise liegen in dieser Dimension die Ergebnisse der Studie vergleichbar zu denen in den 90er Jahren, was bedeutet eine starke Tendenz zum wenig verträglichen und kompetitiven Typ, der auch mit Ellenbogen agiert, das Rampenlicht genießt und einen hierarchischen, statusorientierten Habitus pflegt.
Die Unternehmenskultur als entscheidender Faktor
Man kann kaum erwarten, dass eine Führungskraft von heute auf morgen die Persönlichkeitsstruktur ändert und dann ein New Work Champion wird. Und sind Schlüsselstellen mit solchen Führungskräften besetzt, sind Transformationsvorhaben zum Scheitern verurteilt – ganz egal wie ausgefeilt, die agilen Prozesse oder innovativ die digitalen Tools auch sind. Die menschliche Persönlichkeitsstruktur gilt als relativ stabil und lässt sich nicht ohne Weiteres umformen oder trainieren. Also entweder werden direkt beim Recruiting entsprechende Persönlichkeitsprofile ausgewählt oder bei bestehender Mannschaft wird frühzeitig selektiert, wer eine Vorreiterrolle einnehmen sollte. Jede Persönlichkeit hat Ihre Stärken und muss daher auch nicht unbedingt der höchsten Form der Agilität und höchsten Ansprüchen in Innovation und Wandel eingesetzt werden. Identifizieren Sie die richtigen Personen und nehmen Sie diese auf der Reise mit. Kulturarchitekten können hier ein Schlüssel zum Erfolg sein.
Fazit
Transformation zur Agilität sollte immer beide Aspekte berücksichtigen sowohl die Prozesse als auch den Menschen. Daher empfiehlt es sich Profis einzusetzen, die beide Seiten abdecken können. Wir arbeiten hier mit Kooperationspartnern, wie beispielsweise Innodrei, die auf das digitale Mindset einwirken und es uns so ermöglichen agile Prozesse und digitale Tools zu implementieren.
Rainer den Ouden
Partner. ADCONIA GmbH