Risikomanagement
Oliver Kreienbrink

Oliver Kreienbrink

Managing Director

Risikomanagement in einer vernetzten Beschaffung

Drei große Themen beschäftigen die Einkaufs- und Supply Chain Manager aktuell: die Digitalisierung, das Risikomanagement und Nachhaltigkeit. Und das bei allen drei Themen in einer Geschwindigkeit, wie sie in den letzten 50 Jahren nicht bekannt war. Die deutlich zunehmende Anzahl an Störung von Lieferketten, der Ausfall von Lieferanten oder Angeboten und der Druck auf eine nachhaltige Wertschöpfung treten in immer kürzeren Intervallen auf.

Digitalisierung und Automatisierung von Einkaufsprozessen wichtig

Lieferketten sind heute weltweit vernetzt. Auch wenn der Tier 1 Lieferant innerhalb eines Umkreises von 100 km um den Lieferort sitzt, bezieht dieser seine Waren und Dienstleistungen aus einer weltweiten Lieferkette. Und das kann nur ein kleines Teil betreffen, siehe die aktuellen Engpässe für Halbleiterchips. Unter Berücksichtigung dieses Aspektes sind die aktuellen Themen Digitalisierung, Risikomanagement und Nachhaltigkeit nicht einzeln zu betrachten. Nachhaltigkeit war und ist ein wichtiger Baustein für das Risikomanagement, Digitalisierung wird leider noch zu selten im Bereich „Enabler“ betrachtet. Dabei ist die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung von Einkaufsprozessen wichtig und richtig für Einkaufsabteilungen, muss sich aber auch entsprechend im Risikomanagement wiederfinden.

Wichtigste Schnittstellen des eigenen Unternehmens sind Kunden und Lieferanten. Aus Sicht des Einkaufs stehen dabei die Lieferanten im Mittelpunkt. Daraus ergibt sich die Funktion des Lieferantenmanagements, aber auch ein deutlicher Fokus im Risikomanagement auf die Leistungsfähigkeit von Lieferanten. Wichtigstes Anliegen beim Risikomanagement war und ist stets die Fragestellung: Wie erkenne ich frühzeitig einen Ausfall eines Lieferanten (Insolvenz, Naturkatastrophe, Kauf durch Wettbewerb, etc.)?

Risikomanagement als Klammer

Nimmt man alle Aspekte hier auf und führt sie zusammen, wird die neue Rolle des Risikomanagements in Einkauf und Supply Chain Management deutlich. Galt Risikomanagement in der Vergangenheit oftmals als ein zeitfressendes „Muss“ und diente weniger dem Management von Risiken, sondern mehr der Verwaltung von Risiken, kann es heute als Klammer um alle wichtigen Themen für Einkauf und Supply Chain verstanden werden. Und dieses funktioniert dann, wenn strategisches, operatives und systemseitiges Risiko aus interner und externer Sicht zusammengeführt wird.

Nutzte der Einkauf in der Vergangenheit ein unternehmensinternes ERP-System (z.B. SAP R/3), gab es nur wenige Schnittstellen nach draußen. Kommunikation lief über Faxe (gerne eine Aufgabe für einen Auszubildenden die Bestellungen am Ende des Tages auf das Fax zu legen) oder per Telefon und Mail. Der Austausch mit Lieferanten erfolgte über den Vertriebsmitarbeiter, auch mal gerne bei einem Kaffee. Die Digitalisierung bestimmt heute alle diese Bereiche in unterschiedlichen Ausprägungen. ERP Systeme liegen heute in der Cloud, Kommunikation wird zu Collaboration über die entsprechenden Kanäle, der Austausch von Dokumenten erfolgt digital. Der Besuch eines Vertriebsmitarbeiters wird zur Ausnahme und Geschäftspartner dadurch internationaler. Damit steigt aber auch das systemseitige Risiko. Ein Beispiel dafür ist die Identität des Gegenübers, aber auch der Ausfall eines Servers kann heute einen viel höheren Schaden ausrichten als früher. Und was passiert, wenn ein Zulieferer gehackt wird und nicht produzieren kann oder noch schlimmer, Daten entwendet werden?  Damit wird dieses Thema immer wichtiger für ein gestaltendes Risikomanagement.

Vernetzung von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Lieferantenmanagement

Damit einhergehend ist die Frage der organisatorischen Verankerung. Gibt es heute häufig einen Verantwortlichen für Risikomanagement, meistens derjenige, der gerade verfügbar war, sollte ein gestaltendes Risikomanagement eine feste Funktion in einem Einkauf einnehmen. Ein gestaltendes Risikomanagement bedingt eine kontinuierliche Betrachtung von Trends und Innovationen, die Auswertung von Risikokennzahlen sowie die Entwicklung von Strategien zur Risikovermeidung. Durch die Vernetzung von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Lieferantenmanagement können so wichtige Hinweise für ein Materialgruppenmanagement gegeben werden, um frühzeitig neue Beschaffungsmärkte zu besetzen.

 

Oliver Kreienbrink

Managing Director. ADCONIA GmbH