Diese Themen bewegen Einkauf und Supply Chain in 2020
Sowohl der bevorstehende US-Wahlkampf als auch der Brexit werden 2020 für neue Unsicherheiten auf den Weltmärkten sorgen. Zudem sind die Auswirkungen der konjunkturellen Schwankungen in den Chefetagen der Wirtschaft zu spüren. Ohne Konsequenz für den Einkauf und die Supply Chain geht diese Geschichte nicht aus. Im Folgenden stellen wir Ihnen Themen vor, die die kommenden zwölf Monate bewegen werden:
Steigerung des Mindestlohns in Deutschland
Ab dem 01. Januar 2020 ist der Mindestlohn auf 9,35€/h in Deutschland gestiegen, auch wird erstmals eine Mindestvergütung für Auszubildende festgelegt. Diese gilt für Azubis, die im neuen
Jahr eine Ausbildung anfangen. 515 Euro wird die Mindestvergütung im ersten Lehrjahr sein. Diese Vergütung soll in den kommenden Jahren weiter steigen: 2021 auf 550 Euro, 2022 auf 585 Euro und 2023 auf 620 Euro. Des Weiteren wird die Vergütung je Lehrjahr angehoben: Im zweiten Jahr sind es 18 Prozent mehr, im dritten 35 Prozent und im vierten 40 Prozent.
Um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken, versucht die Bundesregierung auf diesem Wege die Ausbildungsplätze attraktiver zu gestalten und der Wirtschaft etwas Gutes zu tun. In wie weit sich die steigenden Kosten für Unternehmen durch Auszubildende, eigene Mitarbeiter im Niedriglohnsektor sowie steigende Kosten für externe Dienstleister oder Subunternehmer auswirkt, wird das Jahr zeigen.
Fachkräfteeinwanderungsgesetz tritt in Kraft
Für viele Unternehmen ist es, wie bereits zuvor erwähnt, schwierig qualifiziertes Personal zu finden. Arbeitnehmer aus Drittstaaten können mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz ab März leichter in Deutschland arbeiten. Das Gesetz sieht vor, dass beruflich qualifizierte Fachkräfte, wenn sie einen Arbeitsplatz vorweisen und ausreichend deutsch sprechen können, in Deutschland arbeiten dürfen. Selbst mit einem in Deutschland nur teilweise anerkannten Berufsabschluss, kann unter Voraussetzungen eingereist werden, dies gilt jedoch nur beim Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und einer bereits existierenden Regelung zur Nachqualifizierung. Auch für beruflich Qualifizierte und potenzielle Auszubildende mit entsprechenden Schulabschlüssen und Deutschkenntnissen wird die Möglichkeit geschaffen zur Suche eines Arbeits- oder Ausbildungsplatzes für sechs Monate nach Deutschland einreisen, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten.
Wiedereinführung der Meisterpflicht
Einkaufsabteilungen und Supply Chains, die sich nicht meistergeführte Handwerkbetriebe zu
Nutze machen, sollten überprüfen in wie weit diese von der Wiedereinführung der Meisterpflicht betroffen sind. Diese wurde für 12 Handwerke beschlossen und bereits im Bundeskabinett verabschiedet mit dem Ziel Anfang des Jahres in Kraft zu treten.
Politische Unsicherheiten und geändertes Kaufverhalten bedingen agiles Handeln
Die abflauende Konjunktur und der damit erhöhte Wettbewerbsdruck, die politischen Unsicherheiten durch den im März bevorstehenden Brexit sowie durch den US-Wahlkampf im November fordert mehr Flexibilität und kürzere Reaktionszeiten von Unternehmen. Auch die internationalen Zollstreitigkeiten und die wachsende Verunsicherung durch geopolitische Faktoren verlangen agileres Handeln. Laut der Studie „Building next generation capabilities“ der Hackett Group sehen Unternehmen verstärkt Verbesserungs- und Nachholbedarf in puncto Agilität.
Kürzer werdende Produktlebenszyklen erfordern Veränderungen
Da die Produktlebenszyklen und Taktfrequenzen stetig kürzer werden, müssen Unternehmen Ihre Supply Chain weiterentwickeln, um schneller und effizienter zu agieren. Oftmals wird heute eine einzige Supply Chain für alle Produkte eines Unternehmens genutzt trotz der unterschiedlichen Lebenszyklen dieser Produkte. Um diesen unterschiedlichen Lebenszyklen gerecht zu werden und auch zukünftig profitabel zu bleiben, müssen Unternehmen damit beginnen, verschiedene Supply Chains entwickeln. Dies erfordert ein Umdenken und eine Rationalisierung der Prozesse.
Aus linearen Supply Chains wird ein Kreislauf
Die lineare „In and Out”-Methode – nehmen, herstellen, wegwerfen – hat früher ausgereicht, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Heute ist dem nicht mehr so; mittlerweile ist dieses Vorgehen für Unternehmen, die von Rohstoffkosten und Volatilität abhängig sind, vielmehr eine wirtschaftliche Sackgasse. Zirkuläre Lieferketten sind ein erstrebenswertes Ziel, d.h. die Wiederverwendung von Abfällen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft zur Herstellung neuer Produkte.
Wiederverwertung setzt jedoch zunächst Investition voraus. Das ist der Punkt, an dem es oft scheitert und der Unternehmen dazu veranlasst, die Möglichkeiten des Recyclings von Materialien nicht auszuschöpfen. Sobald jedoch die Umstellung der Prozesse einmal abgeschlossen ist, geben Unternehmen weniger Geld für Rohstoffe aus. Es werden Kosten gespart und gleichzeitig auch der Umwelt geholfen, was wiederum zu staatlichen Anreizen führen kann. Zudem sind Unternehmen weniger abhängig von Preisschwankungen und – das vielleicht wichtigste Argument – gefallen ihren Kunden.
Plastiktüten werden verboten
Bereits heute werden Plastiktüten aus Umweltschutzgründen nicht mehr Umsonst in den Läden ausgegeben. Bei Bedarf müssen diese käuflich erworben werden. Nun geht das Bundeskabinett mit einem Gesetzentwurf zum Plastiktüten-Verbot, das bereits verabschiedet wurde, einen Schritt weite. Voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte wird das Plastiktüten-Verbot in Kraft treten und davon betroffen sind leichte Kunststofftragetaschen. Ausgenommen vom Verbot sind Beutel für Obst und Gemüse sowie stabilere Tragetaschen ab einer Wandstärke von 50 Mikrometern.
CO² – Der Dauerbrenner
Wo wir bereits beim Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind, wird es dieses Jahr neue Reformen im Verkehr zu diesem Zwecke geben. Die EU-Akteure haben sich auf einen Grenzwert von 95g CO²/km für alle ab 2020 neu zugelassenen Pkw festgelegt. Zielsetzung ist die Senkung der CO²-Emission bis 2030 gegenüber 2021 um 37,5%. Bezüglich einer CO² Steuer und der konkreten Ausgestaltung des Klimaschutzpaketes werden die Diskussionen in der Regierung in 2020 weitergehen.
Transparente Lieferketten
Es kommt Bewegung in die Debatte um ein Lieferkettengesetz. Bundesentwicklungsministerium und Bundessozialministerium sehen Handlungsbedarf für deutsche Unternehmen, die im Ausland produzieren lassen und sollen für die dortigen Arbeitsbedingungen zur Verantwortung gezogen werden. Die Unterstützung für ein entsprechendes Gesetz wird immer innerhalb der großen Koalition immer größer. Dies wird den Einkauf insbesondere in Unternehmen der Konsumgüterindustrie vor neue Herausforderungen stellen, da eine Transparenz über die direkten Lieferanten hinaus selten heute schon auf Knopfdruck verfügbar ist.
Auswirkungen von eSolutions auf Mitarbeiter
Zurzeit erleben wir in Unternehmen einen Quantensprung hinsichtlich der Quantität (und hoffentlich auch der Qualität) von digital zur Verfügung stehenden Informationen. Interessant wird dabei die Vernetzung dieser Daten mit Kunden und Third Parties auf der Lieferantenseite. Beides in Kombination kann die Leistungsfähigkeit von Unternehmen und ihrer Supply Chains nachhaltig stärken. In der Schaffung neuer kollaborativer Geschäftsmodelle und Ökosysteme liegt großes Potenzial für unsere Wirtschaft. Natürlich birgt dies auch neue Risiken für Einkäufer und Supply-Chain-Verantwortliche wie beispielsweise Cyberkriminalität.
Aus Sicht des Einkaufs geht es dabei längst nicht mehr primär um die elektronische Abbildung und Verbesserung bestehender Prozesse wie z.B. eProcurement, eRFX, eAuctions oder purchase-to-pay. Durch die Digitalisierung des Einkaufs verändern sich die Rollen und somit die Arbeitsweisen der strategischen und operativen Einkäufer erheblich. Zukünftig werden diese verstärkt zu Wissensarbeitern, die auf der Basis von Echtzeit-Informationen aus den Systemen ihre Supply Chains managen. Demnach gilt der altbekannte Slogan „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!“ Investieren Sie bereits in Wissenskapital?
Sie sehen: Die Welt dreht sich stetig weiter und auch 2020 verspricht, ein spannendes Jahr zu werden. Wir freuen uns auf die neuen Herausforderungen und darauf, gemeinsam mit Ihnen die Zukunft zu gestalten.
Rainer den Ouden
Partner, ADCONIA GmbH
Sinja Krauskopf
Consultant, ADCONIA GmbH