ISO 9001:2015 und ihr Einfluss auf das Lieferantenmanagement

Hintergrund

Die EN ISO 9001 ist die sowohl national als auch international am weitesten verbreitete Norm im Qualitätsmanagement (QM). Sie definiert die Mindestanforderungen an ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) zur Optimierung von Prozessen und Arbeitsabläufen hinsichtlich Produktqualität und Kundenzufriedenheit im Rahmen eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Der Nachweis, welcher auch Dritten gegenüber als Aushängeschild einer systematisch und strukturiert geführten Organisation Sicherheit bietet, erfolgt mittels eines Zertifizierungsprozesses durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle.

Das alles ist nichts Neues. Neu ist jedoch, dass Unternehmen im Rahmen von Zertifizierungen nach ISO 9001, die bisher problemlos verliefen, nun vor Schwierigkeiten gestellt werden, die es in der Vergangenheit nicht gab. Grund hierfür ist die nunmehr 5. Revision der Norm von ISO 9001:2008 auf 9001:2015 welche durch die ISO-Mitgliedkörperschaften erfolgte und am 15.09.2015 veröffentlicht wurde. Deren dreijährige Übergangsphase endete am 14. September 2018. Seit diesem Zeitpunkt ist eine Zertifizierung nach der neuen Norm verpflichtend.

Hierbei bilden die folgende sieben QM-Prinzipien die Basis für die systematische Anwendung der Norm. Diese müssen umgesetzt werden:

  • Kundenorientierung
  • Führung
  • Einbeziehung von Personen
  • Prozessorientierter Ansatz
  • Beziehungsmanagement
  • Faktengestützte Entscheidungsfindung
  • Verbesserung

ISO 9001:2015 und das Lieferantenmanagement

Die Umsetzung der EN ISO 9001 zieht sich durch alle Bereiche einer Organisation und hat damit auch Einfluss auf den Einkauf und das Lieferantenmanagement eines Unternehmens. Die Anforderungen hierzu finden sich im Kapitel 8.4 „Kontrolle von externen bereitgestellten Produkten und Dienstleistungen“, das Kriterien für die Beurteilung, Auswahl, Leistungsüberwachung und Neubeurteilung von externen Anbietern darlegt.

Die für die zertifizierten Unternehmen wichtigen Änderungen der ISO 9001:2015 mit Einkaufsbezug sind dabei insbesondere

  • der erhöhte Stellenwert eines prozessorientierten Ansatzes
  • die Forderung zur Umsetzung eines Risikomanagements
  • sowie die Erweiterung des Fokus von „Lieferanten“ auf „externe Anbieter“.

„Wer macht was, wann, wie?“ –  Vor dem Hintergrund einer dokumentierten Systematik fordert die Norm eine strukturierte Überwachung von Änderungen und Entwicklungen bei relevanten Rahmenbedingungen, einschließlich externer Themen, mit Bezug auf die unternehmensrelevanten Produkte und Dienstleistungen. Das zertifizierte Unternehmen ist verantwortlich für die Erfüllung der Anforderung von extern bereit gestellte Prozessen, Produkten und Dienstleistungen. Das beinhaltet zudem jetzt auch das Erstellen von effektiven Maßnahmen zur Steuerung dieser. Die Umsetzung dieser Verantwortung muss im Rahmen eines ISO 9001-Audits nachgewiesen werden.

Für das Lieferantenmanagement bedeutet dies die unternehmensindividuelle Identifikation und genaue Vorgabe unter anderem der folgenden Fragestellungen:

Auswahl externer Anbieter

  • Wie erfolgt die Identifikation von externen Anbietern?
  • Welche Anforderungen werden an diese gestellt, um sich als Anbieter für das Unternehmen zu qualifizieren?
  • Wie wird die Umsetzung dieser Anforderungen geprüft und dokumentiert?

Bewertung und Leistungsüberwachung externer Anbieter

  • Wann und wie hat eine systematische Bewertung und Leistungsüberwachung der Anbieter zu erfolgen?
  • Gibt es die Möglichkeit, externe Anbieter systematisch zu klassifizieren, um anhand von Clustern Normstrategien ableiten zu können?
  • Welche Kriterien werden im Rahmen von Bewertung und Leistungsüberwachung gestellt und überprüft?
  • Nach welchen Vorgaben und Inhalten erfolgen Audits der Geschäftspartner?

Entwicklung der externen Anbieter

  • Welche Konsequenzen sind aus den gewonnenen Erkenntnissen zu ziehen?
  • Wann und wie werden Maßnahmen definiert, dokumentiert und verfolgt?
  • Zu welchem Zeitpunkt erfolgt eine Neubeurteilung?

Ausphasung externer Anbieter

  • Welche Vorfälle und Ergebnisse aus dem Lieferantenmanagement führen zu einer Trennung von Anbietern?
  • Wie ist dieser Prozess umzusetzen?

Entscheidend und von vielen Unternehmen bisher nicht erkannt und umgesetzt: Anders als bisher reicht nicht mehr die meist lockere Vorgehensweise im Rahmen eines mehr oder weniger strukturierten Lieferantenmanagements zur Erfüllung der Norm. Vielmehr ist es Aufgabe des Einkaufs zur Erfüllung der Anforderungen der ISO 9001:2015 und ihrer Prinzipien, all die genannten Fragen und Prozesse detailliert zu definieren, dokumentieren und strukturiert umzusetzen. Es ist ab September 2018 explizierter Bestandteil der Prüfung im Rahmen eines Audits und muss nachgewiesen werden. Es empfiehlt sich die Erstellung einer betreffenden Verfahrensrichtline im Unternehmen, sowie die Nutzung eines Tools für das Supplier Relationship Management (SRM), sodass Systematik und Dokumentation dauerhaft und effizient sichergestellt werden.

Letztendlich erzielt ein ganzheitliches Lieferantenmanagement in einem Unternehmen unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte nicht nur die Erfüllung an die Zertifizierung, sondern etabliert zugleich einheitliche, unternehmensweite Standards, schafft Transparenz über die Chancen und Risiken gegenüber externen Anbietern, kann zu einem Ausbau der Geschäftspartnerbeziehung beitragen und erzielt dadurch messbare Kostenvorteile.

 

Jessica Murawski

Consultant, VDMG consult GmbH (Oberhausen)